Das Geheimnis der Totenkiste
Adels.
Die Abenddämmerung war nicht mehr fern, als Eli allein und in jeder Hand eine Pistole den Weg zu dem halbzerfallenen Häuschen antrat. Er hatte den Tag in der Bibliothek zugebracht und alles gelesen, was er dort über Vampirismus fand, und auch über Schutzmaßnahmen dagegen.
Der Majordomus hatte ihm eine Kette Knoblauch und Arnika unter das Anzugrevers geheftet – das bekannteste Schutzmittel im Land gegen die Kreaturen der Schattenwelt.
Sobald er außer Sichtweite der Burg war, entledigte er sich ihrer. Der Gestank störte ihn – aber viel schlimmer noch war die wachsende Unruhe, das merkwürdige Kribbeln, das die beiden Mittel verursacht hatten. Sein eigenes Blut wehrte sich dagegen – sein neues Vampirblut.
Eli marschierte zu dem zerfallenen Häuschen, weil er gelesen hatte, daß ein Vampir tagsüber in seinem Sarg schlafen mußte, weil das Tageslicht für ihn tödlich war.
Er nahm an, daß der Erzherzog nach seinem Überfall auf ihn in seinen Sarg zurückgekehrt war, denn er hatte nichts von weiteren Angriffen, etwa auf die Dorfbewohner, gehört. Eli beabsichtigte dicht vor der Eisentür zu warten, bis der Vampir herauskäme, und ihn dann zu erschießen. Er hatte leider nicht eher aufbrechen können, da die Silberkugeln nicht früher fertig geworden waren.
Nun kämpfte er sich durch das hohe Unkraut, bis er nahe genug an der Tür war, daß sein Schuß den grauenhaften Untoten nicht verfehlen konnte.
Er fragte sich, ob der Vampir ihn in seinem Sarg zu hören vermochte, ja, ob ein Vampir während des Tages überhaupt über Wahrnehmungskräfte verfügte. Das Tageslicht verblaßte. Eli wartete geduldig und dachte über den Vampir nach und über sein eigenes Schicksal. Denn es wäre unsinnig, einen Vampir zu töten und einen weiteren dafür frei herumlaufen und sein Unwesen treiben zu lassen.
Plötzlich drohte sein Blut zu gefrieren. Denn aus nächster Nähe drang das fröhliche Singen eines Kindes zu ihm. Wie konnten Eltern nur so unachtsam sein! Hatte er nicht befohlen, daß seine Warnung vor dem Vampir an alle Dorfbewohner weitergegeben wurde?
Er mußte das Kind schleunigst wegschicken. Er rannte aus seinem Versteck auf die Stelle zu, von der das Singen zu kommen schien.
Aber Geräusche sind in einem Wald nie genau zu lokalisieren. Schon nach ein paar Schritten mußte er die Richtung wechseln, denn die Stimme erklang offenbar doch aus einer anderen, und als er näher kam, wieder aus einer anderen Richtung.
Und nun war die Dämmerung der Nacht gewichen. Sicher hob der Vampir sich bereits aus seinem Sarg.
Er mußte umkehren.
Eli hatte angenommen, daß er sich höchstens hundert Meter von dem zerfallenen Häuschen entfernt hatte. Aber er brauchte ganze zehn Minuten, bis die Umrisse der Ruine sich vor dem nur wenig helleren Himmel abzeichneten.
Kam er noch zurecht? Er fluchte atemlos vor sich hin, als er darauf zurannte. Hatte der Vampir bereits seine Gruft verlassen und folgte seinem bösen Trieb?
Da, nur wenige Meter geradeaus, erklang ein schriller Schrei, der jedoch schnell erstickte.
Eli fluchte noch intensiver und lief noch schneller.
Im Gras einer kleinen Lichtung sah er das Weiß eines Mädchenkleids. Er sah auch den dunklen Schatten, der sich darüber beugte. Es war die gleiche Silhouette wie am Abend zuvor.
Kam er bereits zu spät? Hatte dieses Ungeheuer aus dem Sarg sich bereits ein neues Opfer geholt? Eli hätteihn am liebsten durch einen lauten Schrei von dem kleinen hilflosen Mädchen verscheucht. Aber das hätte sicher bedeutet, daß er ihm und der Gerechtigkeit entkommen würde.
Die letzten Schritte rannte Eli schon nicht mehr, sondern hechtete sich geradezu durch die Luft. Er beugte sich über das ungleiche Paar und drückte den Pistolenlauf in die Seite des Vampirs, um sicherzugehen, daß er das Herz traf, ohne das Kind zu gefährden.
Der Knall der Explosion erschütterte Elis Zwerchfell, und der Pulverrauch raubte ihm momentan die Sicht. Kurz darauf vernahm Eli das Schluchzen des kleinen Mädchens. Bebend vor Wut jagte er eine zweite Kugel in den Leib des Vampirs.
Als der Rauch sich auflöste, bot sich Eli ein grauenvoller Anblick. Der Körper des Vampirs machte eine gespenstische Verwandlung durch. Sein Fleisch schien irgendwie zu schmelzen, eine übelriechende Gaswolke stieg auf, die sich innerhalb von Sekunden zerstreute. Zurück blieb ein sprödes Skelett, das jedoch noch die dunkle Kleidung, den schwarzen Umhang und den breitkrempigen Hut trug.
Eli sah deutlich
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