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Das Geheimnis der Totenkiste

Das Geheimnis der Totenkiste

Titel: Das Geheimnis der Totenkiste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ERROL LECALE
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Reiten lernten, noch ehe sie ihre ersten tapsenden Schritte taten. Sie brauchten nur einen Augenblick, die Tiere unter Kontrolle zu bekommen, und trabten wenige Sekunden schon unter dem Torbogen mit der Aufschrift, Joe Hotchkiss, Fuhrunternehmen, hindurch.
    »Was soll ich mit dem Geschäft machen?« rief ihnen Hotchkiss nach.
    »Behalten Sie die Leitung, bis Sie von mir hören«, schrie Eli über die Schulter zurück.
    Er erinnerte sich später nicht einmal mehr daran, daß das Unternehmen von Rechts wegen ihm gehörte.
    Kapitän Macneil bemühte sich mannhaft, Eli und
    Hugo zu folgen. Aber nachdem sein Gaul ihn zweimal abgeworfen hatte, gab er es auf.
    »Ein Schiff hat wenigstens eine Reling, an der man sich festhalten kann«, knurrte der Seebär, als er die Zügel dem grinsenden Hotchkiss aushändigte und aus dem Hof humpelte.
    Im Waisenhaus begaben sich die Kinder zu Bett. Wie üblich mußten sie sich schon früh in ihre Schlafsäle zurückziehen, um das Petroleum für die Lampen zu sparen. Mr. Pomeroy, der das Heim leitete, sah nicht ein, weshalb etwas, das Geld kostete, an eine so undankbare und ständig zu dummen Streichen aufgelegte Meute vergeudet werden sollte. Ganz abgesehen davon hatte er eine »Abmachung« mit dem Kaufmann, der das Petroleum lieferte, eine Abmachung, die seinem Geldbeutel sehr zugute kam.
    »Außerdem«, so beruhigte er gewöhnlich sein Gewissen, das sich ohnedies kaum meldete, »gehören Kinder früh ins Bett. Das ist gut für sie.«
    Er rasierte sich sorgfältig, schlüpfte in seinen zweitbesten Anzug und rief seiner Frau zu, sich zu beeilen. Sie hatten Karten für eine Tanzveranstaltung und wollten nichts versäumen.
    Sie machten sich keine Gedanken darüber, daß außer der beschränkten Agnes Dean kein Erwachsener im Haus war, der auf die Kinder aufpassen würde. Agnes war die einzige des Personals, die über Nacht blieb, und zwar auch nur deswegen, weil sie kein eigenes Zuhause hatte. Sie war selbst eine Waise des Heims gewesen und war, als sie entlassen werden sollte, geblieben, weil hier der einzige Ort war, den sie kannte. Weil sie wußte, daß sie hier ein Dach über dem Kopf haben würde und ihr regelmäßiges Essen bekam. Sie saß in der Küche am Herd und blätterte in einem Buch, bis ihr die Augen zufielen und sie eindöste.
    Im Schlafsaal der großen Jungen schlüpften Harry Wilson und Ned Heath vorsichtig unter ihren fadenscheinigen Decken hervor.
    »Ned«, flüsterte Harry. »Bist du fertig? Dann komm!«
    Sie hatten sich voll angekleidet ins Bett gelegt, natürlich ohne Schuhe, denn die durften sie ohnehin nur sonntags tragen. Nun schlichen sie auf Zehenspitzen den Gang zwischen den Bettreihen entlang zu einem Fenster in einer Nische. Es war das einzige Fenster, das sich dank altersschwacher Angeln öffnen ließ. Sie hoben es leise hoch und kletterten an einer Regenrinne in den Hof hinunter. Vorsichtig, erst an der Mauer entlang, dann schnell schräg über den Hof, rannten sie zu einer alten Ulme, die hier einsam ihr Dasein fristen durfte.
    Die Ulme war hohl. Harry tastete in die Dunkelheit ihres Stammes und holte einen selbstgefertigten Bogen und drei Pfeile heraus. Ned und er wurden zu Großer Büffel und Schwarzer Adler – zu den Helden des einzigen Buchs, das zur Zeit in ihrem Saal die Runde machte.
    Die Pfeile schwirrten durch die Luft und sanken mit einer Zielsicherheit in den Stamm, die angesichts der bereits herrschenden Dunkelheit erstaunlich war.
    Und gerade diese Dunkelheit war es, über die Ebenezer Cudlipp besonders erfreut war, als er die Gasse hinter der Waisenhausmauer entlangschlich. Allerdings stolperte er mehrmals über Kisten und sonstigen Abfall, der hier überall herumlag, obwohl er – und darüber staunte er – im Gegensatz zu früher, nun in der Finsternis recht gut zu sehen vermochte.
    Er kannte den Hof und das Innere des Heims gut, denn schon oft hatte er Särge für bedauernswerte halbverhungerte Kinder anfertigen müssen. Er stellte zwei herumstehende Mülltonnen übereinander und schwang sich mit ihn selbst überraschender Leichtigkeit über die hohe Ziegelmauer.
    Lange Zeit saß er oben im Schatten und wartete. Es würde Blut geben, dachte er freudig erregt. Es mußte Blut geben, viel süßes warmes Blut.
    Im Schlafsaal der großen Mädchen stöhnte Amy Lithampton gequält.
    »Es geht nicht mehr, Maudie«, flüsterte sie dem Mädchen im nächsten Bett zu. »Ich muß ganz einfach. Es bringt mich um.«
    »Dann kannst du dich auf etwas

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