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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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am Abspielcomputer hantierte, redete er ununterbrochen weiter. »Du kannst schon mal dein Mützchen aufsetzen und dich entspannen. Es geht gleich los. Übrigens bist du mein erster Kunde …«
    »Versuchskaninchen trifft’s wohl eher«, fiel Leo ihm ins Wort
und zog sich trotzig die DreamCap über den Kopf. Das graue Material sah aus wie Filz und fühlte sich flauschig weich an. Von der darin verborgenen Elektronik war nicht das Geringste zu spüren. Ein Anschlusskabel gab es auch nicht; die Traumdaten wurden per Funkschnittstelle in die Kappe geladen.
    »Bist du bereit?«, erscholl Marks Stimme aus dem Kontrollraum.
    »Jetzt mach schon! Sonst bin ich weggeratzt, ehe du in die Pötte kommst«, drängelte Leo. Seine Coolness war nur gespielt. Dabelstein hatte Zweifel an der Harmlosigkeit der Designerträume durchblicken lassen. Eigentlich war es bescheuert, sich diesem jugendlichen Träumemacher auszuliefern, der sich für die Wiedergeburt eines Mannes hielt, der seine Karriere mit Leichen gepflastert hatte. Natürlich waren es nur Filmleichen gewesen, ebenso wie es in Träumen keine echten Toten gab. Aber musste ein Künstler nicht krank sein, der sich am liebsten durch Mord und Totschlag ausdrückte?
    »Schließ die Augen, es geht los«, rief Mark. »Und denk an unsere Abmachung. Wenn du aussteigst, bevor der Traum zu Ende ist, hast du verloren.«
    Leo gähnte demonstrativ. Ihm war klar, dass die Induktoren ihn, ob er nun wollte oder nicht, in den künstlichen Traum hineinziehen würden. Damit bewarb YourDream sogar sein Produkt: Keine schlaflosen Nächte mehr. Kein unruhiges Hin- und Herwerfen im Bett. Wo immer Sie ein ruhiges Plätzchen finden, mit Ihrer DreamCap träumen Sie in null Komma nichts Ihren Wunschtraum und erwachen mit neuen Kräften …
    Er spürte ein Kribbeln auf der Kopfhaut. So hatte es vor zwei Tagen auch angefangen. Die DreamCap war nicht für Traumschmiede konzipiert, sondern für normale Leute, die keinerlei Kontrolle über ihre Träume hatten. Schlaf ein, aber bleib wachsam!,
ermahnte er sich. Was ihn erwartete, würde wohl unangenehmer als ein großer Käse werden.
     
    Leo saß im Cockpit eines Flugzeugs. Er trug einen Kopfhörer, der die Fluggeräusche weitgehend dämpfte. Das ganze Drumherum sah nicht nach einer Militärmaschine aus. Also war er Pilot eines zivilen Jets. Aber warum?
    Du träumst! , wurde ihm klar. War das eine neue Hausaufgabe von Okumus? Leo konnte sich nicht entsinnen. Normalerweise pflegte er in Träumen ohne technische Hilfsmittel zu fliegen. Wieso ein Düsenjet, wenn es auch mit Fantasie ging? Er blickte in seine Handflächen. Da war kein Symbol zu finden, das seiner Erinnerung auf die Sprünge half.
    »American elf!«, ertönte unvermittelt auf Englisch eine drängende Stimme aus dem Kopfhörer. »American eins eins, wie hören Sie uns?«
    American 11? Meinte der Typ etwa American Airlines Flug 11? Da klingelte etwas in Leos Kopf. Wo hatte er das schon einmal gehört? In einem Film? Er drückte ein paar Knöpfe auf der Mittelkonsole, um auf den Funkruf zu reagieren, fand in der Aufregung jedoch nicht den richtigen Schalter.
    »American elf. Boston«, meldete sich erneut der Fluglotse. Der Mann saß also in Boston, im Nordosten der Vereinigten Staaten.
    »Ich will ja antworten, aber ich kann nicht«, presste Leo hervor. In Hamburg hatte er mit dem Flugsimulator auf seinem PC schon Maschinen unterschiedlichsten Typs geflogen. Das hier schien eine Boeing 767–200 zu sein. Einige Instrumente erkannte er wieder. Der Jet flog in einer Höhe von 29 000 Fuß. Wie bediente man noch mal die Funkeinheit?
    »Sag mal Kollege…«, wandte er sich dem Copiloten zu und verstummte jäh.

    Der Mann, ein auffallend blasser Mittvierziger mit braun gewelltem Haar, war in sich zusammengesunken, der Kopf hing zur Seite. In Träumen spielten sich oft ungewöhnliche Dinge direkt neben einem ab und man bemerkte sie trotzdem erst, wenn man den Blick darauf richtete. Schlief der Copilot nur oder war er …?
    Leo wollte den furchtbaren Gedanken lieber nicht zu Ende denken. Er hielt sich die Nase zu, presste die Lippen aufeinander und pustete. Die Luft strömte ungehindert aus seinem Mund. Eigentlich hätte es dieser Probe nicht bedurft, er wusste auch so, dass er schlief. Allerdings hatte sich selten ein Traum so echt angefühlt.
    »Ist das American elf, der zu rufen versucht?«, fragte die Stimme vom Luftkontrollzentrum.
    »Ja doch!«, rief Leo. Er griff nach rechts über die mittlere

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