Das Geheimnis der versteinerten Traeume
Bettdecke gefunden hatte. Zum Glück fasste die Kommissarin seine Sprachlosigkeit nur als Frage auf.
»Doktor Dabelsteins Leiche sah aus wie die eines Hundertjährigen, nicht wie die eines Mannes in den besten Jahren. Es scheint, als habe die Droge seine gesamte Lebenskraft ausgetrocknet.«
Leo bekam eine Gänsehaut. Er musste an den mumifizierten Copiloten denken und daran, was Orla über Refi Zul erzählt hatte. Wenn dieser Irrsinn doch auch nur einer von Marks abgeschmackten Designerträumen wäre! Besaß der Herrscher von Illúsion buchstäblich die Macht, einem Menschen schlagartig
die Lebensenergie zu entziehen? Oder war die Verwünschung, die er, Leo, so unbedacht am Mittwochmorgen gemurmelt hatte, Dabelsteins Todesurteil gewesen? Es hat sogar schon Schlafwandler gegeben, die einen Mord begingen und nachher nichts davon wussten …
Kürzer setzte sich mit einer Gesäßhälfte vor ihm auf den Tisch und sah ihn durchdringend an. »Was geht dir durch den Kopf, Leo?«
»Ich überlege, ob es nicht andere gibt, die einen Grund hätten, Doktor Dabelstein umzubringen.«
»Wer zum Beispiel?«
Mark Schröder dachte er. »Robert Zaki?«
Walther lachte freudlos auf.
»Wieso gerade er?«, fragte Kürzer.
Leo erzählte, was Orla in der Klosterbibliothek über die Traumfabrik gesagt hatte. Um sich nicht völlig unglaubwürdig zu machen, übersprang er ihre fantastischen Ausschmückungen Refi Zul und Illúsion betreffend. »Zakis Firma stiehlt Millionen Menschen den Schlaf«, wiederholte er wortwörtlich, worüber sie sich so aufgeregt hatte. »Es heißt, daran seien schon mehrere gestorben, weil sie ausgebrannt waren wie Raketenstufen. Doktor Dabelstein hat am Mittwoch vor der versammelten Schülerschaft seinen Rücktritt angekündigt, sofern sich die Vorwürfe gegen YourDream als zutreffend herausstellen.«
»Wenn Herr Zaki jeden ermorden würde, der in seinem Konzern kündigt, könnte er als Massenmörder Stalin Konkurrenz machen«, sagte Walther.
»Der Leiter seiner Nachwuchsschmiede ist nicht jedermann«, widersprach Leo. Beinahe hätte er die Wichtigkeit der Traumakademie für den König von Illúsion ins Feld geführt. Stattdessen erklärte er nur: »Hier wird die Elite von YourDream
herangezogen. Der Erfolg seiner am stärksten wachsenden Firma hängt von uns ab.«
Die zwei Beamten wechselten einen Blick. Hielten sie seine Theorie für möglich oder ihn für einen schlechten Lügner? Unvermittelt klopfte es an die Tür.
»Ja?«, rief der Kommissar.
Der uniformierte Kleiderschrank, der Leo so unsanft geweckt hatte, betrat den Raum. Er teilte den Zivilbeamten mit, dass der Zeuge Benno Kowalski die ganze Nacht geschlafen habe und nicht wisse, ob sein Zimmergenosse irgendwann aufgestanden sei.
»Haben Sie sich bei den zwei gleich mal umgesehen? Vor allem in den persönlichen Sachen von Leonidas?«
»Ohne Durchsuchungsbefehl?«, erwiderte der Streifenpolizist.
»Herrje!«, brauste Walther auf. »Schon mal was von dringendem Verschleierungsverdacht gehört? Gehen Sie sofort wieder hoch und stellen sie das Zimmer auf den Kopf. Wenn es da irgendetwas Verdächtiges gibt, will ich es sehen, verstanden?«
Grummelnd zog sich der Streifenbeamte zurück.
»Tut hier überhaupt mal einer was ohne Antrag in fünffacher Ausfertigung?«, wetterte der Kommissar.
Leo saß stocksteif auf seinem Stuhl und starrte auf die Blasen im Wasserglas. Bei dem Gedanken an das Fläschchen in seinem Bett wurde ihm speiübel. War es möglich, dass er Dabelstein tatsächlich ermordet hatte? Wo sollte er das Gift dazu herbekommen haben? Etwa aus seinen Träumen? Vielleicht hatten ihn die Bilder von dem spontan alternden Copiloten inspiriert. Das würde die unheimliche Wirkung erklären. Er hatte jedenfalls noch nie von einer Droge gehört, die einen Mann so rasend schnell vergreisen lassen konnte …
»Setzen wir die Befragung später fort«, schlug Walther seiner
Kollegin vor. »Ich möchte erst wissen, was die Durchsuchung des Zimmers ergeben hat.«
Kürzer nickte und wandte sich Leo zu. »Du wartest am besten hier. Es wird nicht lange dauern.« Sie deutete auf die vergitterten Fenster. »Und verloren gehen kannst du uns auch nicht.«
Als die Schlüssel im Schloss klapperten, lief Leo ein Schauer über den Rücken. Jetzt war alles aus. Er konnte sich den weiteren Verlauf der Dinge lebhaft ausmalen: Das kriminaltechnische Labor würde in der Flasche ein bisher unbekanntes Gift finden, das den menschlichen Alterungsprozess
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