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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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rapide beschleunigte. Für das Gericht wäre die Verurteilung aufgrund von Indizienbeweisen eine reine Formsache. So käme der jugendliche Täter am Ende doch noch nach Hahnöfersand. Pastor Hoogenkamp hätte nach gründlichem Studium der Zeitungsberichte die Genugtuung, in seiner Einschätzung des minderjährigen Vandalen sehr milde gewesen zu sein. Emanouel Leonidas, würden die Gazetten schreiben, habe einen Strick genommen und sich erhängt. Seine Witwe Severina, könnte man dann weiterlesen, arbeite an einem Sachbuch, in dem sie die Theorie verfechte, dass ein solcher Giftmord von beispielloser Genialität zeuge.
    Die Tür des Besprechungszimmers öffnete sich. Vielleicht die Kommissarin, dachte Leo. Sie hatte ihren Kugelschreiber auf dem Tisch liegen gelassen. Sein Blick fiel auf eine uniformierte blonde Polizistin, die jetzt im Gang postiert war. Sie sprach mit jemandem, den er nicht sehen konnte. In diesem Moment ging gegenüber die Bürotür des Internatsleiters auf. Leute von der Spurensicherung kamen heraus. Leo erlitt einen Schock.
    Der Anblick war grauenvoll. Dabelstein lag noch auf dem Fußboden. Sein maskenhaftes Gesicht war wie unter Schmerzen verzerrt, voller Falten und ganz eingefallen. Die tief in ihre
Höhlen eingesunkenen Augen blickten zur Tür – genau zu Leo. Der Mund des Toten war in einer stummen Anklage geöffnet …
    Plötzlich trat Orla Flaith ins Zimmer.
    Leo zuckte heftig zusammen. Jäher hätte ein Schnitt in einem modernen Actionstreifen auch nicht sein können. Er starrte sie an wie neulich ihren Traumkörper. Anders als am Dienstagmorgen war sie kein bisschen durchsichtig. Sie drehte sich zu der Streifenpolizistin um, bedankte sich artig, schloss hinter sich die Tür, hielt eine Tablettendose hoch und lächelte.
    »Ich habe ihnen gesagt, dass du dringend deine Medizin brauchst.«
    »Was für Medizin?«
    »Das war geschwindelt. Es sind Schlafpastillen. Aus meiner ›Notfallapotheke‹.«
    Er stöhnte. Dieses Mädchen war wirklich ein wandelndes Rätselheft. »Was soll ich denn damit? Mir das Leben nehmen?« Der Anblick des vergreisten Dabelstein steckte ihm noch in den Knochen.
    »Fliehen.«
    »Indem ich einschlafe«, sagte er monoton.
    »Genau. Mach dir keine Sorgen, das Rezept für die Pastillen stammt von meinem Vater. Der gute Dalmud hat sie mir gegeben, als er mich aus Illúsion herausbrachte. Sie sind ganz ohne die unangenehmen Nebenwirkungen der Tabletten, die du in der Apotheke bekommst, und sie wirken sehr schnell.«
    Er holte tief Luft und versuchte das grausige Bild aus dem Direktionsbüro abzuschütteln. »Orla, ich kann dir gar nicht sagen, wie toll ich es finde, dass du mir helfen willst. Aber das ist hirnverbrannt. Um abzuhauen, müsste ich hellwach sein, und du bringst mir Schlafpastillen.«
    Sie schüttelte verärgert den Kopf. »Wann kapierst du das
endlich! Genau das Gegenteil ist der Fall. Hast du nicht mein Traum-Ich gesehen? Wie es durch Wände gegangen ist? Bei einem Traumwandler funktioniert das auch mit dem richtigen Körper. Du könntest fliegen oder dich an einen anderen Ort versetzen. Die Fantasie allein bestimmt deine Grenzen.«
    »Ich schlucke nur die Dinger und rausche wie ein Engel von dannen?«, fragte er ohne rechte Überzeugung.
    »So ungefähr. Du behältst die Kontrolle und kannst jederzeit über dein Tun bestimmen. Im Grunde ist es ein Klartraum, nur mit erweiterter Bewegungsfreiheit. Deshalb bereitest du dich auch wie auf eine Luzide vor.« Sie deutete auf den von der Kommissarin vergessenen Kugelschreiber. »Mal dir einen Flügel auf die Hand.«
    »Also echt, Orla …«
    »Tu es!«, fauchte sie ihn an.
    Er stöhnte. Widerwillig nahm er den Schreiber vom Tisch, zeichnete den Flügel, umgab ihn mit einem Kreis und legte ein Dreieck darüber. Ihr die Handfläche entgegenstreckend, fragte er: »Zufrieden?«
    Sie riss die Augen auf. »Woher kennst du dieses Symbol?«
    »Ist so ’ne Art inoffizielles Logo von YourDream. Hast du nicht Zakis Siegelring gesehen?«
    »Nein. Aber das erklärt vieles.«
    »Ach! Was denn?«
    »Dafür haben wir keine Zeit«, drängelte sie. »Wenn du das Symbol wiedererkennen kannst, erfüllt es seinen Zweck. Ich bitte dich nur, kein Auge auf den Flügel zu malen. Jetzt nimm dir ganz fest vor zu fliehen und versenke das Bild in deinem Unterbewusstsein, so wie wir es neulich geübt haben.«
    Er gehorchte. »Dir ist schon klar, dass ich mich mit meiner Flucht zum Hauptverdächtigen mache, oder?«

    »Das bist du sowieso.

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