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Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Das Geheimnis der versteinerten Traeume

Titel: Das Geheimnis der versteinerten Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bringen, gleichzeitig einen Moment lang zu wachen.«
    »Niemand darf schlafen?«, platzte Leo heraus.
    Der Alte zuckte mit den Schultern. »Na ja, vielleicht kommt es nicht auf die Wenigen an, die gerade dem Tod entgegendämmern, die Verwirrten oder die Neugeborenen, aber im Großen und Ganzen wird Refi Zuls Bann wohl nur in sich zusammenbrechen, wenn er überschwemmt wird von der Kraft der ungeträumten Träume.«
    »Wie ein Damm, der zerbirst?«, murmelte Orla.
    Dalmud nickte. »So viel Energie kann selbst er nicht kontrollieren. Sie würde wie ein Feuer in ihm brennen und ihm solche Schmerzen zufügen, dass er weder ein noch aus wüsste.«
    Ihr Blick suchte denjenigen von Leo. Offenbar sah sie ihm sein Unbehagen an, denn sie sagte: »Ich glaube, wir versuchen erst mal das unsichtbare Traumtor zu finden.«

L eos erste Nacht in Illúsion verlief ziemlich turbulent. Anfangs konnte er nicht einschlafen. Er war zu aufgewühlt. Trotz Müdigkeit und bleierner Schwere in den Gliedern lag er mit offenen Augen auf den weichen Teppichen im Wohnzimmer, bis zur Nasenspitze unter einer kuscheligen Wolldecke vergraben, und ärgerte sich über seinen Freund, der neben ihm leise schnarchte und blubbernde Geräusche von sich gab. Nichts schien Bennos tiefen Schlaf trüben zu können, obwohl er mindestens drei Portionen von Angatas Gericht aus Süßkartoffeln, Taroblättern und Fisch verschlungen hatte.
    Tausend Dinge gingen Leo durch den Kopf. Er wünschte, Orla wäre bei ihm und er könnte wie auf der Waldlichtung seine Gedanken mit ihr teilen. Für Dalmud und seine Frau war es allerdings undenkbar, dass die Jungen und das Mädchen im selben Zimmer schliefen. Deshalb hatten sie Orla bei sich einquartiert.
    Schließlich dämmerte Leo doch weg. Und begann zu träumen.
    Die Bilder kamen von allein zu ihm, er kontrollierte nichts und ließ sich einfach treiben. In einem Bach sah er sein Spiegelbild: Das Haar war noch mehr als sonst verstrubbelt, sein Gesicht schmutzig, die Kleidung altertümlich – vermutlich spielte
das Traumstück in Illúsion. Unvermittelt tauchten Federechsen auf und umzingelten ihn. Diesmal war keine Hilfe in Sicht.
    An dieser Stelle wurde sich Leo des Traums bewusst und übernahm die Kontrolle. Er wünschte sich einen starken Beschützer. Schon erschien hinter ihm ein großer, grüner Drache, der dem Sternbild aus der Drusenkammer erstaunlich ähnlich sah. Mit ein paar Feuerstößen bereinigte der schuppige Retter die Situation. Nur wenige Echsen konnten fliehen.
    »Verfolge sie! Keine darf zu Refi Zul gelangen«, rief Leo und erwartete, dass der große, grüne Drache nun losfliegen und die vogelähnlichen Kreaturen aus der Luft bekämpfen werde. Dem war aber nicht so. Der Koloss stampfte ihnen hinterher. Der Boden bebte unter seinen vier klauenbewehrten Füßen …
    Leo erwachte.
    Neben ihm lag Benno.
    Und der Boden bebte immer noch.
    Aus der Nähe erscholl ein hektisches Läuten. Leo schreckte hoch und lauschte. Das Schnarchen neben ihm verstummte, die Alarmglocke vom Wachtturm schellte weiter. Ihn beschlich eine schlimme Ahnung. Er stürzte zur Tür und rannte aus dem Haus.
    Es war eine sternenklare Nacht. Der Mond streute sein silbernes Licht über das Dorf. Deutlich war zu sehen, wie der Traumwächter auf seinem Turm aufgeregt das Klöppelband der Glocke hin und her zog. Ein gewaltiges Krachen hinter Leo ließ ihn herumfahren. Er traute seinen Augen nicht.
    Neben einem brennenden Strohhaufen ragte ein großer, grüner Drache auf. Er besaß vier stämmige Beine, fledermausartige Hautflügel, einen Kamm aus spitzen Hornplatten, der sich über seinen ganzen Rücken und Schwanz zog, einen papageienähnlichen Schnabel und so rote Haare wie Benno Kowalski. Gerade hatte das Wesen Dalmuds Stall unter seinen gewaltigen
Klauen zermalmt – glücklicherweise waren keine Ziegen drin. Schon hob es das andere Vorderbein, um auch das Wohnhaus dem Erdboden gleichzumachen.
    »Halt!«, schrie Leo.
    Der Koloss verharrte wie versteinert und stieß einen fragenden Laut aus, der aus einer überdimensionierten Tuba zu kommen schien. Auf dem Wachtturm verstummte die Alarmglocke. Der Traumwächter wollte wohl erst einmal abwarten, wie sich die Situation weiter entwickelte.
    »Tu das nicht!«, rief Leo. Er kam sich irgendwie dämlich vor, weil er mit dem Monstrum redete.
    »Warum nicht?«, dröhnte der Drache mit erkennbar weiblicher Stimme und einem jammervollen Unterton.
    »I-in dem Haus… sch-schlafen meine Freunde«,

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