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Das Geheimnis der Wellen

Das Geheimnis der Wellen

Titel: Das Geheimnis der Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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nächste Mal nach Ausreden suchte, nicht vor die Tür zu müssen.
    Er liebte den Strand, vor allem diesen Abschnitt. Er liebte ihn, egal zu welcher Jahreszeit.
    Warum hatte er sich das so lang vorenthalten? Die Umstände allein konnte er nicht dafür verantwortlich machen, auch nicht Lindsay. Er hätte herkommen müssen – seiner Großmutter, aber auch sich selbst zuliebe. Doch er hatte sich für die einfachste Lösung entschieden. Er hatte sich Ausreden ausgedacht, statt zu erklären, warum seine Frau nicht mitgekommen war. Statt mit Lindsay zu streiten, wenn sie auf Cape Cod, Martha’s Vineyard oder einem längeren Urlaub an der Côte d’Azur beharrte.
    Die vorgeblich einfache Lösung hatte sich als trüge risch erwiesen, und er hatte etwas verpasst, das ihm wichtig war.
    Wenn er sich das nicht zurückeroberte, war nur er dafür verantwortlich. Also ging er bis zum Pier und dachte an das Mädchen, mit dem er einen prickelnden Sommerflirt gehabt hatte, bevor sein Studium begann. Daran, wie er mit seinem Vater geangelt hatte, wozu keiner von beiden auch nur das geringste Talent besaß. Und an seine Kindheit, in der er mit verschiedenen Freunden bei Ebbe nach Piratenschätzen gebuddelt hatte.
    Er dachte an die alte, nach wie vor unvergessene Legende von dem Schatz, Esmeraldas Mitgift, die bei einer wilden Seeschlacht von Piraten geraubt und verloren gegangen war. Das Piratenschiff, die berüchtigte Calypso, war an den Felsen von Whiskey Beach zerschellt und direkt zu Füßen von Bluff House von den Wellen verschlungen worden, die ihr Geheimnis bis heute bewahrten.
    Über die Jahre hatte er unzählige Varianten dieser Legende zu hören bekommen und als Kind mit seinen Freunden Jagd auf diesen Schatz gemacht. Sie wollten ihn heben, sich mit seinen Golddukaten, Juwelen und Silbermünzen in zeitgemäße Piraten verwandeln.
    Doch wie alle anderen Schatzsucher hatten sie nichts als Muscheln und Krabben gefunden. Aber sie hatten ihre Abenteuer genossen, in diesen längst vergangenen Sommern.
    Whiskey Beach hatte ihm gutgetan. Während er dastand und die Gischt spritzte, sagte er sich, dass es ihm auch heute guttun würde.
    Er war weiter gelaufen und länger geblieben als geplant. Auf dem Rückweg freute er sich auf sein Glas Whiskey am Kamin. Aber als Belohnung und weniger als Möglichkeit, der Realität zu entfliehen.
    Vermutlich sollte er sich auch etwas zu essen machen, da er seit dem Frühstück nichts zu sich genommen hatte. Damit hatte er gegen ein weiteres Versprechen verstoßen, das er sich gegeben hatte, nämlich wieder zuzunehmen und ein gesünderes Leben zu führen.
    Er würde also ein anständiges Abendessen zubereiten und sofort mit diesem gesünderen Leben beginnen. Irgendwas würde ihm schon einfallen. Die Nachbarin hatte die Küchenvorräte aufgefüllt, und …
    Bei dem Gedanken schaute er auf und sah das Laughing-Gull-Cottage hinter den Dünen. Das kräftige Sommerblau seiner Schindeln hob sich deutlich von den Pastell- und Weißtönen der Nachbarhäuser ab. Soweit er sich erinnern konnte, waren sie einmal hellgrau gewesen. Der spitze Dachgiebel, die großzügige Dachterrasse und der Wintergarten machten seine Silhouette unverwechselbar.
    Er sah, dass Lampen brannten, um die düstere Stimmung zu vertreiben.
    Am besten, er ging gleich zu ihr und gab ihr das Geld in bar. Dann war das erledigt. Er würde von dort aus den Rück weg antreten und dabei die Erinnerungen an die anderen Häuser und ihre jetzigen sowie einstigen Bewohner auf frischen.
    Außerdem konnte er dann etwas Positives nach Hause berichten, ohne zu lügen: Habe einen Strandspaziergang gemacht, auf dem Rückweg bei Abra Walsh vorbeigeschaut, bla, bla, bla, die neue Farbe ihres Cottages gefällt mir. Wie ihr seht, isoliere ich mich nicht. Ich gehe aus und knüpfe Kontakte. Alles ganz normal.
    In Gedanken formulierte er schon die E-Mail, während er den Aufstieg bewältigte. Ein gepflasterter Weg führte oben zwischen einem kleinen Innenhof mit Sträuchern und Figu ren hindurch. Es gab eine lustige Meerjungfrau, die auf ihrem Fischschwanz saß, einen Frosch, der Banjo spielte, und eine kleine Steinbank, deren Füße aus geflügelten Feen bestanden. Er war von der originellen Gartengestaltung fasziniert. Sie passte perfekt zum Cottage. Erst als er bereits mit einem Fuß auf der Schwelle stand, bemerkte er, dass sich im Wintergarten etwas bewegte.
    Frauen auf Yogamatten erhoben sich mehr oder weniger geschmeidig in die Stellung, die er als

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