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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Alptraum war zu beklemmend, als daß ich mich ihm ein drittes Mal ausgesetzt hätte. Ich knipste das Licht an, setzte mich auf, nahm mein Notizbuch zur Hand und prüfte die Konten nach. Benommen vor Erschöpfung, dämmerte ich schließlich doch wieder ein und schlief durch, ohne zu träumen, bis mir ein Klopfen um sieben Uhr früh anzeigte, daß der Kellner mit Kaffee und Brötchen vor der Tür stand.
    Die Routine des Tages setzte ein, und die Nacht mit all ihrem Grauen schien weltenfern. Das Telefon begann, wie üblich, zu läuten, und nach zehn Minuten oder so war ich völlig in Anspruch genommen von all dem technischen Kleinkram, den ich im Hinblick auf die nächsten Stunden abzuwickeln hatte; die Pläne derjenigen Reisenden, die am Vormittag einkaufen und erst zum Lunch mit uns zusammentreffen wollten; die Rückfragen der anderen, die den Petersdom zwar zu sehen wünschten, es aber ablehnten, die endlosen Galerien des Vatikans zu durchwandern; die Versicherung von Mrs. Morton, daß der Herr Gemahl wieder hergestellt sei und daß die von mir verschriebenen Tabletten einen Blitzerfolg gezeitigt hätten.
    Dann hinunter zum Bus und dem wartenden Beppo, der den Abend, im Gegensatz zu mir, in der Wärme und Gemütlichkeit seiner Lieblingstrattoria verbracht hatte.
    »Wissen Sie was?« sagte er. »Wir sollten die Plätze tauschen. Sie fahren den Bus, und ich mache den Kunden den Hof.« Das war eine Anspielung auf mein übernächtigtes Gesicht, das infolge des fehlenden Schlafes ganz verfallen aussah. Ich antwortete, daß ich nichts dagegen hätte, und während wir auf die kleine Mannschaft warteten, die es zu mustern galt, beschrieb mir Beppo die Reize Lucianas, die ihn seit Jahren in seiner Trattoria bediente. Während sich unsere Kunden im Wagen verteilten, munter und begierig auf das ›Rom bei Tag‹, das sich ihnen, zu ihrem Vergnügen, nun darbieten würde, stellte ich fest, daß mich der einsame Amerikaner, mein Verehrer von gestern abend, wie Luft behandelte.
    Der Bus bog links ein und passierte die Kirche, die sich für mich auf so furchterregende Weise mit San Cipriano verschmolzen und einen Traum in einen Alptraum verwandelt hatte. Die Treppe war leer, die Frau vom Lande verschwunden.
    Sie mochte sich, ich hoffte es, eben jetzt gütlich tun und ihre Lebensgeister mittels meiner zehntausend Lire neu entfachen. Die pensionierten Lehrerinnen hatten ihre Existenz vergessen. Sie blätterten bereits in einem Führer herum und schrieben ihren Nachbarn vor, welche Schätze der Villa Borghese – unser erstes Ziel – man keinesfalls links liegen lassen dürfe. Ich war nicht überrascht, als ich sie rund zwanzig Minuten darauf an den konventionellen Statuen vorbeieilen sah, um aus gierigen Augen den ruhenden Hermaphroditen zu bestaunen.
    Weiter, immer weiter – der Friede des Pincio lag bereits hinter uns – und hinunter zur Piazza del Popolo und über den Tiber zur Engelsburg und von dort zu St. Peter und zum Vatikan. Ich begleitete meine Schäfchen zu jeder Sehenswürdigkeit, stapfte mit ihnen auf die Bastionen der Engelsburg, schlurfte durch das Schiff des Petersdoms, stand unter hundert Konkurrenzgruppen in der Sixtinischen Kapelle, Schulter an Schulter, mit verrenktem Genick. Finger zeigten auf das Jüngste Gericht, und sämtliche Führer brüllten sich die Seele aus dem Leibe, um die Kollegen ja zu übertönen und die anderen Touristen in Verwirrung zu stürzen. Dann endlich war es, dem Himmel sei Dank, Zeit zum Lunch.
    Beppo verzehrte sein Mahl, schlau wie er war, im Autobus, las anschließend die Zeitung und machte ein Nickerchen. Mein Los bestand darin, immer vorneweg zu sein, und in dem Restaurant nahe dem Petersdom, wo die ›Sonnenreisen‹ das Essen wie üblich pauschal bestellt hatten, gab es weder Raum noch Zeit, um sich ein wenig zu erholen. Mrs. Taylor hatte bereits ihren Schirm verloren. Er sei wahrscheinlich in der Vatikan-Garderobe stehen geblieben, mutmaßte sie. Ob ich mich wohl bitte möglichst bald darum kümmern würde?
    Mr. Morton machte sich, unbekümmert um seine Pseudo-Herzattacke von der letzten Nacht, über die Spezialität des Restaurants, Saltimbocca alla Romana, Kalbsschnitzel mit Schinken auf römische Art, her. Er würde sich gratulieren können, wenn er das lebend überstand.
    Wir sollten um vierzehn Uhr aufbrechen nach den Caracalla-Thermen, dann denselben Weg zurück zum Forum fahren und einen langen Nachmittag zwischen den Ruinen verbringen. Hier pflegte ich meine

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