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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Gefolgschaft ihrer Eigeninitiative zu überlassen. Der Forum-Führer konnte sie gut und gern die Via Sacra entlang geleiten. Der einsame Amerikaner fand vielleicht sogar einen ebenso einsamen Kumpel unter den Orangenbäumen des palatinischen Hügels, und die Lehrerinnen machten womöglich eine verhungernde Katze aus, die im Schatten der Vestalischen Jungfrauen kauerte.
    An diesem Nachmittag jedoch kam alles ganz anders. Ich hatte den verlorenen Schirm sichergestellt und überquerte gerade die Via della Conciliazione, um meine Herde wieder zu versammeln, als ich sah, daß mir eine Handvoll Touristen zuvorgekommen war und sich um Beppo drängte, der aus einer aufgeschlagenen Zeitung vorlas. Dies war sonderbar, denn keinerlei Krise bedrohte den Weltfrieden.
    Es handelte sich um die Frühausgabe eines römischen Blattes. Beppo winkte mir zu. Er genoß seine Rolle als Dolmetscher. Aber seine Zuhörer schienen bestürzt.
    Die beiden Lehrerinnen waren als Vorhut mit von der Partie, was mich mit bösen Ahnungen erfüllte.
    »Was gibt es denn für Sensationen?« fragte ich.
    »Mord bei der Via Sicilia«, sagte Beppo, »so etwa vierzig Meter vom Hotel Splendido entfernt. Die Damen hier behaupten, sie hätten das Opfer noch lebend gesehen.« Die Stimmkräftigere der Lehrerinnen wandte sich mir empört zu.
    »Es handelt sich um jenes arme Weib«, erklärte sie, »es muß dieselbe Frau sein. Der Fahrer sagt, daß man sie erstochen auf den Kirchenstufen fand, um fünf Uhr in der Frühe. Wir hätten sie davor bewahren können. Es ist zu schrecklich, um es in Worten auszudrücken.«
    Ich war so entsetzt, daß es mir die Sprache verschlug. Mein ganzer Schneid verließ mich. Ich riß Beppo die Zeitung aus der Hand, um selbst zu lesen. Die Meldung war nur kurz: »Die Leiche einer Frau wurde um fünf Uhr morgens auf den Stufen der Kirche Santa Felicita gefunden. Sie war erdolcht worden. Offenbar handelt es sich um eine Landstreicherin. Sie hatte getrunken. Es fanden sich nur wenige Münzen in ihrem Besitz, so daß kein Motiv für den Mord gegeben scheint. Wer die Frau gesehen oder in der näheren Umgebung während der Dämmerung irgend etwas Auffälliges bemerkt haben sollte, wird gebeten, zur Polizei zu kommen und auszusagen.«
    Ich gab Beppo die Zeitung zurück. Die Gruppe wartete gespannt, wie ich reagieren würde.
    »Die Sache ist sehr bedauerlich«, erklärte ich, »aber, wie ich fürchte, nicht einmal so außergewöhnlich. Gewaltverbrechen passieren in jeder großen Stadt. Man kann nur hoffen, daß der Mörder bald überführt werden wird.«
    »Aber wir haben sie doch gesehen«, lamentierte lauthals die eine der beiden Lehrerinnen. »Hilda und ich versuchten sie anzusprechen, es war kurz vor neun Uhr. Da war sie noch nicht tot. Sie schlief und atmete mühsam. Sie haben sie vom Bus aus ja auch gesehen. Jeder hat sie doch gesehen. Und ich bat Sie, etwas zu unternehmen.«
    Beppo suchte meinen Blick und zuckte die Achseln. Unauffällig begab er sich zum Bus und kletterte auf seinen Sitz. Mit dieser Geschichte hatte ich mich auseinanderzusetzen, nicht er.
    »Signora«, sagte ich, »ich möchte nicht, daß Sie mich für kaltherzig halten. Aber für uns ist dieser Vorfall erledigt. Wir hätten für die Frau praktisch nichts tun können. Und jetzt können wir schon gar nichts mehr tun. Die Polizei hat sich der Sache angenommen. Also! Im übrigen haben wir schon Verspätung.«
    Inzwischen war innerhalb der Gruppe eine erregte Diskussion in Gang gekommen, und nun stieß auch der Rest zu uns und wollte wissen, was los war. Sogar Passanten blieben stehen und schauten neugierig. »Bitte den Bus besteigen«, sagte ich energisch, »auf die Plätze! Das gilt für alle. Wir blockieren den Verkehr.«
    Als wir saßen, brach die Hölle los. Mr. Hiram Bloom, Sprecher der ›Barbaren‹, war zu der Ansicht gelangt, daß er die Angelegenheit dem amerikanischen Konsul besser nicht unterbreiten sollte. Andernfalls könnte man unterstellen, daß die ›Liga angloamerikanischer Freundschaft‹ die Tüchtigkeit der römischen Stadtverwaltung in Zweifel ziehe.
    »Wir haben«, so erläuterte er, »auch in den Straßen der New Yorker City Betrunkene und bislang keinen entsprechenden Gesundheitsdienst. Wir dürfen nicht den ersten Stein werfen.« Seine Landsleute zeigten sich geneigt, ihm zuzustimmen. Es zahle sich nie aus, so argumentierten sie, sich in fremde Angelegenheiten einzumischen, und schon gar nicht in Europa. Man habe nur Ärger davon. Die Briten

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