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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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Fabbio. Sie sind der Boss.«
    In der Hotelhalle mischten die Nationen sich wieder. Frisch gebackene Bekannte oder Freunde begrüßten sich, indes die Damen einander zu ihren Kleidern beglückwünschten. Rom als Hauptstadt lockte stets die Gala-Garderobe aus den Koffern heraus. Hier, und niemals wieder, warfen sich die Herren gelegentlich sogar in ihren Smoking.
    So zog meine fünfzigköpfige Herde ihres Weges, lauter oder leiser schwatzend, zum Restaurant und durch dasselbe hindurch, ich selbst als Hütejunge hinterdrein. Angesichts der Flaggen wurden Schreie des Entzückens laut. Einen Augenblick lang fürchtete ich, sie würden ihre Nationalhymnen anstimmen: Das ›Star spangled Banner‹, das ›God save the Queen‹. Das war schon vorgekommen. Aber es gelang mir, mich durch einen Blick mit dem Ober zu verständigen, und so konnten wir sie auf ihre Plätze manövrieren, bevor sie sich von ihren patriotischen Gefühlen vollends überwältigen ließen.
    Ein Wort in Mrs. Taylors Ohr: »Alles in Ordnung mit den Päckchen in Perugia. Sie sind sichergestellt.« Ein beruhigendes Kopfnicken in Richtung der Morton-Tochter, die neben ihrem überseeischen Verehrer Platz gefunden hatte, während die Mutter wohlverwahrt im Zimmer saß und, vom Etagen-Kellner bedient, ihr Dinner vom Tablett aß.
    Dann zog ich mich an meinen eigenen kleinen Tisch zurück. Ein Reiseleiter tafelt nicht mit seinen Kunden. Das geht nicht an. Er muß immer auf ein Minimum von Distanz bedacht sein. Ein Schritt vom Weg der strikten Etikette, und schon hat der Kunde das Kommando.
    Ein einsamer männlicher ›Barbar‹, mittelalterlich, mit schwimmendem Blick, hatte sich an die Ecke eines der beiden langen Tische gesetzt. Von dort aus konnte er mich im Auge behalten. Ich hatte ihn längst eingestuft. Die Sorte kannte ich. Der Reiseleiter würde ihn nicht ermutigen, aber in Neapel konnten wir Schwierigkeiten mit ihm bekommen. Da war ich mir recht sicher.
    Während ich aß – und der Kellner brachte mir, was ich immer wollte, nebst einer halben Gratis-Flasche Wein –, rechnete ich über den Reisetag ab. Das tat ich immer. Ich stellte mich taub gegen Stimmengewirr und Tellergeklapper. Wenn man nämlich nicht genau aufs Datum abrechnet, kommt man nicht klar, und dann ist im Hauptbüro später der Teufel los.
    Die Notwendigkeit, Buch zu führen, machte mir nichts aus. Ich fand das entspannend. Und dann, wenn die Zahlen addiert waren, das Notizbuch verstaut, mein Teller abgetragen, konnte ich mich zurücklehnen, meinen restlichen Wein austrinken und meine Zigarette rauchen. Das war der eigentliche Augenblick der Abrechnung, nicht der Beträge, die ich täglich nach Genua zu melden hatte, sondern meines persönlichen ›Soll und Habens‹. Wie lange würde dies noch so weitergehen? Warum tat ich das überhaupt? Welcher Impuls trieb mich, wie einen verblödeten Wagenlenker, auf die ewige, sinnlose Reise?
    »Schließlich werden wir dafür bezahlt, nicht wahr?« sagte Beppo. »Wir verdienen gut.«
    Beppo hatte eine Frau und drei Kinder in Genua. Mailand-Florenz-Rom-Neapel, das machte für ihn keinen Unterschied. Ein Job war ein Job. Und dann drei Tage frei, sein Zuhause, sein Bett. Er war zufrieden. Kein innerer Dämon störte seine Ruhe oder peinigte ihn mit Fragen.
    Das Stimmengewirr, aus dem man die ›Barbaren‹ immer heraushörte, wurde lärmend. Meine kleine Herde war in vollem akustischem Aufruhr. Gesättigt, wohlgelaunt, die Zungen gelöst durch das, was immer ihre Gläser gefüllt haben mochte, in freudiger Erwartung dessen, was die Nacht ihnen bescheren würde – und was würde sie ihnen schon bringen außer dem Schlaf im Hotelbett an der Seite der Gattin, nachdem sie durch die Fenster eines Mietbusses, die sich vom Hauch ihres Atems trübten, uralte, fremde Bauten angestarrt hatten, die zu ihrer Unterhaltung künstlich beleuchtet wurden –, machten sie sich für einen Augenblick frei von allen Zweifeln und Sorgen. Sie waren keine Einzelwesen mehr, sie waren ein Mann. Sie ließen alles hinter sich, was sie band. Aber zu welchem Ziel? Der Kellner beugte sich zu mir herab. »Der Autobus wartet«, sagte er. Es war zehn Minuten vor neun. Zeit, daß sie ihre Mäntel, Hüte und Schals holten.
    Ich stand auf. Der Mann, der sich von eigenen Gnaden zum Anführer des ›Beef-Esser‹-Kontingents aufgeschwungen hatte, blickte zu mir hinüber. Zu spät für die Rede, die er zweifelsohne vorbereitet hatte. »Freunde englischer Zunge … unsere beiden

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