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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daphne DuMaurier
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großen Nationen … die den Frieden lieben und die Kunstschätze Europas und so weiter, und so weiter …« All dies mußte auf einen günstigeren Zeitpunkt warten.
    »Rome by Night«, oder richtiger der Sonderbus, den das ›Sonnenreisen‹-Büro für diesen Zweck organisierte, lief nach einem äußerst knappen Zeitplan. Beppo und der Bus, der uns hergebracht hatte, waren freigestellt zwischen Ankunft und Weiterfahrt. Nicht so der Reiseleiter. Erst als ich die Köpfe meiner Lieben gezählt hatte, während sie eine Minute nach neun in den Pullmann kletterten, stellte ich fest, daß wir nur 46 waren. Zweie fehlten. Ich fragte beim Fahrer nach.
    »Zwei der Damen waren vor den anderen hier«, sagte er mir,»sie sind zusammen die Straße hinuntergegangen.«
    Ich blickte zur Via Veneto hinüber. Das Hotel Splendido liegt nur eine Straße von ihr entfernt, in einer leidlich ruhigen Ecke. Vom Trottoir aus kann man die strahlenden Lichter, die farbenbunten Schaufenster und den Autostrom zur Porta Pinciana sehen. All dies bedeutet für die meisten Damen eine weit größere Verlockung als das Kolosseum, das es zu besichtigen galt. »Nein«, sagte der Fahrer, »sie sind in die andere Richtung gegangen.« Während er nach links wies, bogen bereits zwei Gestalten eilig um den Häuserblock herum. Ich hätte es ahnen müssen: die beiden pensionierten Lehrerinnen aus Süd-London, immer wissbegierig, immer kritisch, immer weltverbesserisch veranlagt. Sie waren es, die mir befohlen hatten, den Bus auf dem Weg nach Siena zu stoppen, weil ein Mann, wie sie behaupteten, seinen Ochsen misshandelte. Und dasselbe Zweigespann war schuld daran, daß wir in Florenz eine halbe Stunde verloren, weil die Damen eine streunende Katze entdeckt hatten und darauf bestanden, sie heimzubringen. Eine Mutter, die in Perugia ihr Kind schalt, wurde ihrerseits von den Lehrerinnen ausgezankt.
    Gestikulierend und aufgebracht stürzten sie jetzt auf mich zu. »Mr. Fabbio … Hier muß etwas geschehen. Gleich um die Ecke hockt eine arme alte Frau zusammengekauert im Kirchenportal.«
    Ich beherrschte mich nur mühsam. Die Kirchen von Rom geben allen Bettlern, allen Verkommenen, allen Betrunkenen Obdach, die sich auf ihren Stufen herumsielen wollen, bis die Polizei sie vertreibt.
    »Bitte, regen Sie sich nicht auf, meine Damen. Dergleichen ist hier gang und gäbe. Die Polizei wird sich schon um sie kümmern. Bitte, beeilen Sie sich. Der Bus wartet …«
    »Aber es ist doch ein Skandal. Bei uns in England … Da, Mr. Fabbio, sehen Sie da!«
    Gehorsam gab ich dem Fahrer einen sanften Rippenstoß, und kollegial verlangsamte er das Tempo. Die Passagiere rechts im Bus starrten gleich mir aus dem Fenster. Im Schein der Straßenlampe wirkte die Figur wie ein Relief. In meinem Leben gab es – wie in jedem Leben – Augenblicke, in denen das Gedächtnis ›Klick‹ macht, in denen man etwas empfindet, was die Franzosen als ›déjà vu‹, als ›schon einmal erlebt‹, bezeichnen. Irgendwo, irgendwie – Gott weiß, wann – hatte ich diesen gebeugten Rücken gesehen, die ausgebreiteten Röcke, die verschränkten Arme, diesen Kopf, der begraben war unter schweren Tüchern. Doch nicht in Rom. Meine Vision zielte anderswohin. Meine Erinnerung ging in meine Kindheit zurück, war verwischt von vielen wechselnden Ereignissen, von all den langen Jahren.
    Während wir den Scheinwerfern und der Touristen-Illusion entgegen rollten, begann einer der Verliebten auf der letzten Bank seine Mundharmonika zu betätigen und produzierte die Melodie eines Liedes, das der Fahrer und ich schon lange nicht mehr hören konnten, das den ›Beef-Essern‹ und den ›Barbaren‹ aber am Herzen lag: Arrivederci Roma.
    Mitternacht war vorüber, als wir wieder am ›Splendido‹ vorfuhren. Meine Schützlinge kletterten gähnend, sich räkelnd und offenbar befriedigt, einer nach dem anderen aus dem Bus und passierten in flotter Folge die Drehtür des Hotels. Sie brachten in diesem Augenblick nicht mehr an Eigenleben auf als Fertigwaren, die vom Fließband rollen.
    Ich war todmüde und sehnte mich nach meinem Bett. Anweisungen für den nächsten Morgen, letzte Mitteilungen, vielen Dank, gute Nacht allerseits, eine Kusshand von der kleinen Miß Morton, die mir einen erfolgreichen Abend Seite an Seite mit ihrem Verehrer im Hintergrund des Busses verdankte. Und dann war es vorbei. Sieben Stunden Vergessen. Der Reiseleiter durfte abtreten. Als sich die Lifttür, wie ich meinte, hinter dem

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