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Das Geheimnis des Feuers

Das Geheimnis des Feuers

Titel: Das Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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gekommen«, sagte sie nach einer Weile des Schweigens. »Und nun bin ich am Ende.«
    Lydia trug Sofia und Maria auf, Holz für ein Feuer zu sammeln. »Aber hier gibt es doch keine Bäume«, sagte Sofia. »Wo sollen wir schlafen?«
    »Tut, was ich sage«, antwortete Lydia. Ihre Stimme klang müde. »Wir bleiben heute Nacht hier.« Sofia wollte mehr fragen. Wer sollte sie gegen die Raubtiere schützen? Was würde geschehen, wenn das Feuer erlosch und kein Baumgeist da war, der über sie wachte? Aber sie wagte nicht zu fragen. Mama Lydias Stimme war anzuhören gewesen, dass sie im Augenblick keine Antworten mehr hatte. Zusammen mit Maria und Alfredo sammelte sie trockenes Gras und Holzstöckchen. Sofia hielt sich die ganze Zeit nah bei Alfredo. Es könnte Schlangen geben und er war noch zu klein und hatte nicht genügend Verstand, sich vor ihnen zu fürchten. Sie zündeten das Feuer an und Sofia sah, dass die alte Frau unbeweglich mit offenen Augen dasaß.
    »Will sie nichts essen?«, fragte Sofia, als sie den Rest des getrockneten Fleisches aßen.
    »Sie hat keinen Hunger«, antwortete Lydia. »Will sie nicht schlafen?«, fragte Sofia leise, als sie sich am Feuer zusammengekauert hatten. »Sie schläft schon«, antwortete Lydia. »Frag nicht mehr. Schlaf.«
    Am Tag darauf, in der Dämmerung, als Sofia erwachte, saß die alte Frau in derselben Haltung da. Ihr Körper war ganz steif. Sofia begriff, dass auch sie nun tot war. Sie berührte Lydia, die sofort wach war.
    »Sie ist tot«, sagte Sofia.
    Lydia erhob sich und ging zu der Alten. Sie schaute sie an ohne etwas zu sagen. Dann weckte sie Maria und Alfredo und befahl Sofia, den Plastikbehälter der alten Frau mitzunehmen. Als sie schon ein ganzes Stück gegangen waren, drehte Sofia sich um. Wie einen fernen Schatten konnte sie die alte Frau erkennen. Vielleicht war sie schon in eine der verzerrten toten Baumwurzeln verwandelt worden, die auf der roten trockenen Erde verstreut lagen. Sofia hatte viele Fragen. Sie fragte sich, warum sie in diese Welt von lauter Toten getrieben worden war. Wenn ich nur die hohen Berge erreiche, dachte sie. Dahinter muss es lebendige Menschen geben.
    Sie wanderten lange, viele Tage. Später dachte Sofia, alles sei wie ein Traum gewesen. Vielleicht war es so, dass man in Träumen auf Reisen gehen konnte? Vielleicht konnte man über Berge klettern und durch halb ausgetrocknete Flussbetten waten, ohne dass man wach wurde? Aber in der Nacht kehrten die verzerrten Gesichter zurück. Die Monster beugten sich über sie und sie wurde mit einem Ruck wach. Dann wichen die Monster zurück. Doch sie waren immer in ihrer Nähe, das wusste sie. Die Monster sahen sie, ohne dass Sofia sie sehen konnte.
    Sie wanderten lange, viele Tage.
    Sofia fragte Lydia, wohin sie unterwegs waren.
    »Fort«, antwortete Lydia. »Fort vom toten Hapakatanda und deinen Geschwistern.«
    Sofia versuchte sich vorzustellen, dieses »Fort« sei ein Ort, vielleicht ein Dorf, das es schon irgendwo gab und das auf sie wartete. Aber gleichzeitig dachte sie, dass sie, die nicht mehr auf dem Rücken ihrer Mutter getragen wurde, nicht solche kindischen Gedanken haben durfte.
    Fort war fort, nirgendwo.
    Eines Tages sah Sofia zum ersten Mal das Meer. Sie waren einen Hügel hinaufgestiegen, es war spät am Nachmittag und Sofias Füße waren geschwollen und voller Wunden. Da sah sie zum ersten Mal das Meer. Ein Fluss ohne Ufer auf der anderen Seite. Türkis schimmerndes Wasser, über das keine Brücken hinüberführen konnten.
    Obwohl Sofia das Meer noch nie gesehen hatte, war ihr sofort, als ob sie heimgekommen wäre. Es war, als ob es auch im Unbekannten etwas Vertrautes gab. Vielleicht hatte sie jetzt eins der Geheimnisse entdeckt, über die Muazena mit ihr gesprochen hatte, eins der Geheimnisse des Feuers. Vielleicht war es so, dass auf alle Menschen, die von Banditen oder Monstern aus ihrer Heimat verjagt wurden, irgendwo ein anderer Ort wartete. Vielleicht musste man sich nur hinsetzen, wie es die alte Frau getan hatte. In dem Augenblick, wenn die letzten Kräfte den Menschen verließen, würde er eine Heimat erreichen, die er nicht kannte.
    Sie gingen weiter bis ans Meeresufer. Der Sand war anders, weicher unter den Füßen. Lydia ließ sich im Schatten eines Baumes am Ufer niedersinken. Zusammen liefen Sofia und Maria hinunter zum Wasser. Sie kosteten davon und es war salzig. Sie wateten hinaus, bis sie hörten, wie Lydia ihnen zurief vorsichtig zu sein. Hinterher fragte Sofia, ob

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