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Das Geheimnis des Feuers

Das Geheimnis des Feuers

Titel: Das Geheimnis des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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hatte die alte Muazena Sofia und Maria erzählt, als sie noch klein waren. Indem man ins Feuer schaut, kann man Erinnerungen hervorlocken, von denen man meint, man habe sie für allezeit vergessen.
    Sofia dachte oft an Muazena. Aber Muazena war nicht mehr da. Genauso wenig wie Maria. Wenn Sofia an Muazena dachte, dachte sie an die Zeit, als sie noch nicht auf der Flucht sein mussten. Das war vor der langen Reise, ehe sie sich hier am Fluss niedergelassen hatten. Das war die gute Zeit gewesen, als sie kaum wusste, was Schmerz war. Oder Trauer. Oder Hunger. Oder das Schlimmste von allem: Einsamkeit.
    Damals hatten sie gelebt, wo sie immer gelebt hatten. Am besten konnte Sofia sich an das Dorf erinnern. Dort waren alle Hütten rund und hatten kunstvoll geflochtene Dächer aus Palmblättern. Dort war sie geboren worden, genau wie Maria und Alfredo. Und ihr Vater Hapakatanda hatte sie hoch in den Himmel hinaufgehoben und sie die Sonne begrüßen lassen. Sie hatte festgebunden auf dem Rücken ihrer Mutter gesessen, Lydia, die damals die schönste und stärkste Frau des ganzen Dorfes war. Sofia hatte auf ihrem Rücken gesessen, während Lydia vorgebeugt in der trockenen Erde hackte. Wenn sie an diese Zeit dachte, hörte sie immer Musik in ihrem Innern. Die Trommeln und die eintönige Melodie einer Timbila (Ein afrikanisches Instrument aus Holz.) . In ihrem Körper verwahrte Sofia immer noch das Echo der schaukelnden Bewegungen, wenn ihre Mutter mit den anderen Frauen tanzte. Sie konnte sich nicht erinnern, damals je hungrig gewesen zu sein. Oder ängstlich. Das war die glückliche Zeit gewesen. Auch davon hatte Muazena erzählt. Sie hatte vom Paradies erzählt. Und sie hatte gesagt, das Glück sei nur dort, wo wir einmal gewesen sind, nachdem wir es verloren haben.
    Dann war das geschehen, was sie bis jetzt versucht hatte zu vergessen. Aber die Erinnerung war wie eine Narbe in der Haut, die niemals verschwindet.
    Es war Nacht.
    Kein Mond, keine Sterne.
    Plötzlich explodierte ihr ganzes Leben. Ein scharfer weißer Schein füllte die Hütte, dann kam eine Serie starker Explosionen. In ihrer Erinnerung, jener Erinnerung, die sie am liebsten von allem in ihrem Leben vergessen wollte, sah sie verzerrte Menschengesichter im grellen Feuerschein. Es waren Menschen, aber sie glichen Monstern, und Sofia hatte sofort begriffen, dass sie gekommen waren, um sie und alle anderen im Dorf zu töten.
    Es waren die Banditen.
    Sie hatten sich im Schutz der nächtlichen Dunkelheit an das Dorf herangeschlichen und sie hatten die Hütten niedergebrannt und die Menschen getötet. Irgendwo in diesem entsetzlichen Durcheinander von Feuer und Tod, von blutigen Körpern, Schreien und Rufen, hatte ihr Vater Hapakatanda versucht sie und Maria zu verstecken. Doch er war von einem Stich mit einem großen Messer getroffen worden, oder vielleicht war es auch ein Beil gewesen, und er war gefallen und sie hatte zusammen mit Maria unter ihm gelegen.
    Dann war es sehr still gewesen und sie hatte verstanden, was mit der Stille des Todes gemeint war. Aber ihrem Vater war über den Tod hinaus gelungen, was er gewollt hatte: sie und Maria vor den Messern, Beilen und Gewehren zu schützen.
    Am Morgen, als die Sonne zurückkehrte, wagten sie es hervorzukriechen. Ihr Vater war tot und sie hatten sehr geweint. Muazena war auch tot, sie lag vornübergefallen über dem verglimmenden Feuer. Aber Lydia war nicht da, auch Alfredo nicht. Weder Sofia noch Maria wagten zu rufen und sie weinten lautlos, während sie aus der Hütte krochen. Sie gingen durch das Dorf, überall lagen tote Menschen und sie kannten alle und waren mit ihnen verwandt, Menschen, mit denen sie gespielt, gearbeitet und gelacht hatten.
    Die Monster, die in der Nacht gekommen waren, hatten die Stille des Todes mitgebracht, sie hatten das Dorf in einen Friedhof verwandelt. Überall lagen tote Menschen in verrenkten Stellungen; die Monster hatten sogar die Hunde umgebracht. Manchen waren Arme und Beine abgeschlagen, einem auch der Kopf. Sofia und Maria gingen durch das tote Dorf, durch die Stille des Todes, bis sie die letzte der niedergebrannten Hütten erreichten. Sofia dachte, irgendwo müsse Lydia sein, ebenso Alfredo. Alle konnten doch nicht tot sein. Es konnte einfach nicht sein, dass nur Maria und sie übrig waren. Das war es, wovon Muazena erzählt hatte, das größte Grauen für einen Menschen ist es, der letzte Mensch auf der Erde zu sein. Ich will nicht der letzte Mensch sein, hatte sie hinter

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