Das Geheimnis Des Frühlings
mir.«
Ich griff in einen Ärmel, dann in den anderen. Die Münze war verschwunden. »Hölle und Teufel«, entfuhr es mir, dann blinzelte ich Bruder Guido durch meine Wimpern hindurch an und wartete auf die übliche Rüge, die diesmal jedoch ausblieb. Ich nahm an, er hatte sich in den Reihen von Il Moros Armee an weit üblere Flüche gewöhnt. »Sie war hier . Gottverdammt noch mal! Sie muss mir aus dem Ärmel gefallen sein.« Ich war wütend auf mich selbst; nicht nur, weil die Münze ein wichtiger Bestandteil unseres Puzzles war, sondern weil ich meine Hurenvorliebe für Geld noch immer pflegte und mich schon darauf gefreut hatte, das Ding auszugeben, wenn diese ganze Angelegenheit vorüber war.
»Reg dich nicht auf. Kannst du dich daran erinnern, wie sie ausgesehen hat?«
»Ja. Auf einer Seite war ein Profilportrait von Lorenzo Il Magnifico mit Sonnenstrahlen, ähnlich wie das Sol-Invictus-Symbol.«
Er nickte. »So weit, so gut. Und auf der anderen?«
»Ein Wort. Es hieß... Ich...« Mein Kopf war wie leergefegt.
»Nun?«, bellte er.
»Schrei mich nicht an, dann fällt es mir erst recht nicht ein«,
zischte ich zurück. Aber es half nichts; das Wort, das ich ein Mal gelesen und das dann im Geräusch der Kutschenräder untergegangen war, als der Schlaf mich übermannt hatte, war aus meinem Gedächtnis getilgt.
Bruder Guido sprang auf und schritt im Raum auf und ab. Seine Augen sprühten Feuer, aber sein Zorn richtete sich nicht gegen mich. »Ein böses, verderbtes Bündnis! Was für eine Intrige schmieden sie? Könnten sie planen, in Richtung des Zephyr zu marschieren, um das Land der Habsburger zu überfallen? Vielleicht wollen sie den Kaiser und das Heilige Römische Reich stürzen und sich ein eigenes Reich aufbauen?«
Das klang einleuchtend - bis auf eine Kleinigkeit. »Aber der Kaiser ist in dieses Komplott verwickelt. Als ich meine Mutter und Sigismund in der großen Halle belauscht habe, sagte Sigismund, sein Vetter, der Kaiser, habe meiner Mutter freie Durchreise durch die Berge und Schutz vor Übergriffen von Habsburger Ländereien aus zugesichert. Und als in jener Nacht in der Mine die zweite Münze geprägt wurde, nahm Sigismund sie an sich, um sie dem Kaiser zu geben. Demnach ist der Kaiser über die Sieben im Bilde und hat ihre Pläne abgesegnet. Dieser Hund wird also nicht beißen.«
»Du hast recht. Aber fest steht doch, dass gegen irgendjemanden Krieg geführt werden soll. Lass mich mit meiner Geschichte fortfahren. Ich bin mit einem Mailänder Kaufmann als dessen Kaplan nach Mailand gereist und habe mich am Stadttor von ihm getrennt. Dort sah ich einen Aushang, der alle jungen Männer der Stadt dazu aufrief, sich im Castello Sforzesco für eine neue Armee anwerben zu lassen. Ich ging dorthin und meldete mich. Man stellte mir keine Fragen, obwohl ich die Kutte eines Franziskanermönches trug. Ich bekam diesen ockerfarbenen Umhang, ein Schwert und diesen Helm mit spitzem Visier.« Er deutete auf seine Rüstung und seine Waffe. »Man fragte mich auch nicht nach meiner Familie oder meiner militärischen Erfahrung, es genügte, dass ich das Gefangenenbrandzeichen des Bargello trug. Hier, schau.« Er hielt mir
die Innenseite seines Handgelenks hin, in die ein verschnörkeltes B eingebrannt war. Die Wunde war verheilt, leuchtete aber noch immer flammend rot. »Und ich war nicht der Einzige. Gebrandmarkte Männer, Irrsinnige, Geistliche, alle sind angetreten, um für Il Moro und Gott weiß was zu kämpfen. Sie freuen sich über regelmäßige Soldzahlungen, und wir werden täglich stundenlang gedrillt. Ich bin seit einem Monat hier, und ich sage dir, Ludovico hat aus einer bunt zusammengewürfelten Bande von Schurken, Halsabschneidern und ähnlichem Gesindel eine nahezu perfekte Armee gemacht, die bereit ist, für die Ziele der Sieben bis aufs Blut zu kämpfen.« Er umklammerte meinen Arm so fest, dass es schmerzte. »Und bei Gott oder Venus oder wer immer auch sonst über diese Erde herrscht - wir müssen sie aufhalten, und wir werden sie aufhalten. Aber jetzt komm. Wir müssen die Zeit, die uns noch bleibt, nutzen, um uns mit der Mailand-Figur, also mit dem Botticelli-Merkur zu befassen, bis wir uns zusammenreimen können, welchem Zweck sie dient. Hol deine Kerze und den cartone, dann wollen wir sehen, was wir herausfinden können.«
3
»Wir werden wie üblich mit dem Offensichtlichen beginnen«, schlug Bruder Guido vor, als wir uns endlich wieder gemeinsam über das Bild beugten. »Die Figur
Weitere Kostenlose Bücher