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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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zu ihrer Kompanie.« Er lehnte sich zwischen den Zinnen hindurch.
    Und zog sich im nächsten Moment wieder zurück. »Es ist
dieselbe Schlange, so viel steht fest. Sie ist zusammengerollt dargestellt - sechsmal, nicht sieben, wie zu erwarten wäre -, und sie wendet sich Richtung Norden. Direkt über dem Tor. Sieh sie dir an.«
    Ich spähte von derselben Stelle nach unten. Der Blickwinkel war ungünstig, und außer dem Schein der Fackeln der Wächter gab es kein Licht. In dem kurzen Augenblick, als ich in der Kutsche meiner Mutter darunter hinweggerollt war, hatte ich einen besseren Blick auf die Steinmetzarbeit erhaschen können, denn da war heller Tag gewesen, stellte ich frustriert fest. Ich konnte die Windungen des Schlangenleibes erkennen, das aufgesperrte, zum Verschlingen bereite Maul, die bösartigen Giftzähne. Doch ansonsten enthüllte das Tier mir keine Geheimnisse. Ich starrte so angestrengt nach unten, dass mir schwindlig wurde und ich fürchtete, in die Tiefe zu stürzen, deswegen wandte ich mich achselzuckend wieder ab.
    Bruder Guido schüttelte den Kopf. »Wir sind blind«, seufzte er.
    »Vielleicht suchen wir etwas, was man wirklich nur von unten sehen kann«, meinte ich nachdenklich.
    »Oder die Schlange repräsentiert einfach nur die Sforzas - und diese Burg als Hauptquartier der neuen Armee und nichts sonst.«
    »Das hilft uns auch nicht dabei, die Karte zu finden«, fauchte ich. »Lass es mich noch einmal versuchen.« Wieder beugte ich mich vor und verrenkte mir den Hals. Die Steine der Brustwehr bohrten sich schmerzhaft in meine Rippen. Aber diesmal fiel mir etwas auf, was mir beim ersten Mal entgangen war - ein kleines, neben der Schlange in den Stein eingemeißeltes Bild. Ich kniff die Augen zusammen. »Da ist etwas!«, zischelte ich selbst schon wie eine Schlange. »Die Figur eines Mannes. Nein - er hat einen Heiligenschein. Eine Heiligenfigur!«
    »Lass mich sehen.« Bruder Guido schob mich ziemlich unsanft zur Seite. »Du hast recht.« Sein Kopf tauchte wieder auf.

    »Konntest du erkennen, wer es ist?«
    »Das weiß ich auch so. Es ist der heilige Ambrosius, der Schutzheilige der Lombardei. Die Menschen hier erflehen bei jedem Problem seine Hilfe, egal ob nun ein Pferd krank oder eine Katze verschwunden ist, sie nennen ihre Kinder nach ihm, rufen ihn an, wenn sie sich den Zeh stoßen und so weiter. Er ist es, da bin ich ganz sicher.«
    Er kauerte sich neben mir im Schatten nieder.
    »Und welche Legenden ranken sich um ihn?«, wollte ich wissen. »Wofür war er berühmt?«
    »Eigentlich gibt es keine speziellen Legenden über ihn. Außer...« Er brach ab und richtete seine außergewöhnlichen Augen auf mich.
    »Außer?«
    »Er hat einen Blinden wieder sehen lassen.«
    »Tatsächlich?« Meine Stimme triefte vor Ironie, denn ich hatte für derartige angebliche Wunder nur Verachtung übrig; sie waren lediglich eine weitere Möglichkeit für die Kirche, den Gläubigen das Geld aus der Tasche zu ziehen.
    »Das ist es!« Er vergaß zu flüstern, ich musste mahnend einen Finger heben. »Der Heilige wird uns sozusagen die Augen öffnen.«
    Trotz meiner Zweifel spürte ich, wie sich die altvertraute Erregung in mir aufbaute. »Wie soll das denn gehen? Und wo?«
    »Das ist ganz einfach. Wir statten ihm einen Besuch ab.«
    »Er ist immer noch hier, in Mailand?«
    »Er hat die Stadt nie verlassen.«
    »Erklär mir das bitte genauer.«
    »11 Moro selbst verehrt ihn in der Klosterkirche Santa Maria Grazia, und er fordert auch von seinen Soldaten äußerste Frömmigkeit - ein Speichellecker Seiner Heiligkeit des Papstes, wie er im Buche steht.« Abgrundtiefe Verachtung schwang in seiner Stimme mit. »Es heißt, er hätte Mailand mit dem Schwert und dem Kruzifix aufgebaut.«
    »Und?«

    »Wir Soldaten beten in einer größeren Kirche, in der wir alle Platz Rnden - in Sant’Ambrogio, ganz in der Nähe von Santa Maria Grazia und nicht weit von hier entfernt. Dort liegt Ambrosius’ mumifizierter Leichnam zusammen mit denen zweier weniger bedeutender Heiliger aufgebahrt und kann in der Krypta besichtigt werden. Jeder in Mailand kennt die Legende: Ein blinder Mann erlangte sein Augenlicht wieder, als er die Mumie von Sant’Ambrogio berührte: Kraft dieser sterblichen Überreste löste sich die Dunkelheit auf, die diesen Blinden umgab, und er sah das helle Licht des Tages «, schloss er triumphierend.
    »Wann besucht ihr das nächste Mal den Gottesdienst?«, erkundigte ich mich ungeduldig. »Sonntag ist erst

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