Das Geheimnis Des Frühlings
hochgeschlagen, als er die Kirche verließ, und wenn ich Euch nicht beiseitegenommen hätte, hätten die Mörder den richtigen Mann getötet.« Ich legte eine Pause ein, um diese Fakten in sein Bewusstsein dringen zu lassen, und sein ohnehin schon bleiches Gesicht nahm eine ungesunde grünliche Färbung an. »Ihr wisst, dass ich recht habe«, fuhr ich fort. »Unseren Gegnern ist ein Fehler unterlaufen, wie schon einmal zuvor, als sie statt meiner meine Freundin ermordeten. Aber es ist ihnen egal, wen sie töten, sie haben keinerlei Skrupel, auch Unschuldige zu opfern«, meine Stimme brach, als ich an Bembo dachte, »und sie werden nicht aufgeben, bis sie haben, was sie wollen. Sie glauben, Ihr würdet mir beistehen, und das werdet Ihr auch tun, das schwöre ich Euch. Jetzt nehmt Euren Verstand zusammen und bringt uns hier heraus!«
Die letzten Worte schienen endlich zu ihm durchzudringen. Als er sprach, bediente er sich knapper, präziser Worte. »Das Herbarium«, sagte er, und wir rannten los, bevor ich ihm sagen konnte, dass ich während unseres Gesprächs Schritte im Kreuzgang gehört hatte.
Bruder Guido führte mich zu einer niedrigen Tür in der Mauer, durch die wir in einen in einem Labyrinth aus Buchsbaumhecken angelegten Duftgarten gelangten. Ohne Halt zu machen, um uns zu beratschlagen, kletterten wir auf die Pfirsichbäume, die die Mauer säumten, und sprangen auf der anderen Seite zu Boden. Wir landeten in einer Abwasserpfütze, die unsere Schuhe durchweichte, als wir zur Piazza von Santa Croce zurückliefen. Dort bogen wir in eine Seitengasse und rannten, bis wir einen ruhigen Platz erreichten, wo wir verschnaufen und dabei die gesamte Umgebung überblicken konnten. Wir ließen uns auf dem Rand eines kleinen Springbrunnens nieder, tranken ein paar Schlucke Wasser, um unsere brennenden Lungen zu kühlen, und warteten darauf, dass wir wieder zu Atem kamen. Der Himmel begann sich bereits zu verfärben. Wir würden bald entdeckt werden.
»Wir müssen von hier weg«, sprach Bruder Guido meine geheimen Gedanken laut aus.
»Wohin denn?«, krächzte ich matt.
»Ich kenne einen Ort, wo man uns willkommen heißen wird. Er liegt nicht weit von hier entfernt, aber es ist ein steiler Aufstieg.«
Mein Herz wurde schwer, aber meine Angst verlieh mir die Kraft, die ich benötigte.
»Worauf warten wir dann noch?«, murmelte ich.
7
Florenz zu verlassen, um an irgendeinem unbekannten Ort Zuflucht zu suchen, war vielleicht der schwerste Teil der ganzen Nacht. Unter einem schmutzig grauen Himmel bahnten wir uns einen Weg durch das Elendsviertel Ognissanti und begannen den Hügel zu erklimmen, auf dem Fiesole liegt. Ognissanti ist, wie ich ja bereits erwähnte, ein Drecksloch. Und die ehemalige Heimat von Signore Botticelli. Eine passende Umgebung für den Bastard, wenn ihr mich fragt. Verfallene, abbruchreife Häuser und armselige Hütten drängen sich aneinander, braun und ungleichmäßig wie ein verrottetes Gebiss. Und erst die Bewohner! Mehr als einmal verleitete der Anblick eines Mönches in Begleitung eines Mädchens eine dieser grässlichen Kreaturen, die Signore Dantes Hölle entsprungen sein könnten, zu einer obszönen Geste. Außerdem stinkt es hier wegen der unzähligen Gerbereien wie in einer Jauchegrube, und überall liegen ausgeweidete Tierkadaver so verkrümmt herum wie schuldige Seelen nach der Folter auf dem Streckbrett. In einer Schlammbank, die sich gebildet hatte, nachdem der Arno im Frühjahr über die Ufer getreten war, verlor ich einen Schuh, war aber zu erschöpft und zu verängstigt, um mich darüber zu ärgern oder ihn gar zu suchen. Meine schönen Schuhe mit den vergoldeten Spitzen waren an diesem Abend schon mit Pisse und Blut in Berührung gekommen, da erschien es mir irgendwie passend, dass einer davon jetzt in diesem stinkenden Schlamm seine letzte Ruhestätte gefunden hatte. Ich warf ihm seinen Bruder hinterher und sah aus den Augenwinkeln heraus, dass der Mönch mich beobachtete.
»Was gibt es?«
Er schüttelte den Kopf. »Das war sehr unklug, Signorina. Der Weg ist lang und beschwerlich.«
Meine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Wie lang?«
»Ungefähr fünf Meilen. Und immer bergauf.« Er deutete matt zum Gipfel des Hügels, wo sich die Linie des Horizonts wie ein silberner Faden durch das Dunkel wand. Ich zuckte mit vorgetäuschtem Gleichmut die Achseln und trottete ihm barfuß hinterher. Die Steine auf dem Pfad bohrten sich in meine Fußsohlen und bewiesen mir,
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