Das Geheimnis Des Frühlings
Pergamentbogen darauf fest. Er rollte den Rotogravidas erst über ein Tablett mit klebriger Tinte und dann einmal über das Pergament. Der erzielte Abdruck war so deutlich, dass wir Einzelheiten entdeckten, die uns bislang entgangen waren. Der Stern an der linken oberen Seite des unbekannten Landes entpuppte sich als Kreuz mit vier kurzen Balken. Signore Cristoforo sah aus, als hätte ihn der Schlag getroffen. Ich folgte seinem glasigen Blick zu der Rolle in seiner Hand, die seine Fingerspitzen mit Tinte besudelte, was er aber nicht zu bemerken schien.
Ich meinte, den Grund für seine Verwirrung zu kennen. »Ist das eine von Euren Karten?«
»Nein.« Er musterte das obere Ende genauer. »Sie ist unseren sehr ähnlich, aber hier ist eine Schlange in das Holz eingeritzt. Wir benutzen ein Kreuz, das Kreuz von Genua.« Er nahm eine seiner eigenen Rollen von der Wand und zeigte sie mir.
»Das ist das Kreuz von der Karte«, sagte ich langsam.
»Vier gleich lange Balken, wie das maltesische Symbol«, warf Bruder Guido ein.
»Genau. Oder das genuesische Symbol, denn dieses Kreuz prangt auf unserer Fahne. Deshalb muss ich Euch noch einmal fragen, wo Ihr diese Rolle herhabt.«
Kurz und knapp berichtete ich ihm, meinen eigenen Ohren kaum trauend, von dem Sturm, der Basilika und dem ZephyrPferd. Er nickte nur ein- oder zweimal, ohne Fragen zu stellen. Ich sah, dass Bruder Guido sowie Signore Bartolomeo versuchten, in seinem Gesicht zu lesen.
»Was ist? Stimmt etwas nicht?«
Die beiden Brüder wechselten einen Blick. »Es ist nur so«, begann Signore Bartolomeo. »Dieses Land hier ist die als Italien bekannte Halbinsel.«
Schon wieder dieses Wort!
»Das dachten wir uns«, bekannte Bruder Guido. »Und das Kreuz markiert Monaco? Es liegt im äußersten Nordosten. Das Ziel des Angriffs ist Monaco, das Tor zu Frankreich?«
Signore Cristoforo schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund. Die Stadt wird nicht nur durch ihre Lage gekennzeichnet, sondern auch durch ihr Emblem. Das Ziel des Angriffs, so denn einer erfolgt, ist Genua.«
2
Wir nahmen, diesmal zu viert, nicht zu zweit, auf Schemeln rings um die auf dem Tisch ausgebreitete Primavera Platz, denn es war an der Zeit, den Brüdern auch den Rest unseres Puzzles zu enthüllen - den Umstand, dass die Strategie der Sieben in einem Bild verborgen lag. Signore Cristoforo und Signore Bartolomeo beugten sich über den cartone, so wie wir es viele Monate lang getan hatten, inspizierten ihn mit ihren Kartografenaugen und pflückten neue Details heraus wie Kormorane Fische aus dem Meer.
»Also stellen alle diese Figuren und Gottheiten Städte dar.« Signore Cristoforos Stimme klang ehrfürchtig.
»Ja«, bestätigte Bruder Guido, dabei deutete er nacheinander auf die betreffenden Figuren. »Pisa, Neapel, Rom, Florenz, Venedig, Bozen und Mailand. Wir waren während der letzten zwölf Monate entweder durch Zufall oder absichtlich in jeder einzelnen Stadt und wissen, dass jeder Herrscher und sogar das Oberhaupt der Kirche selbst in die Verschwörung verstrickt ist.«
»Und dies hier ist ganz eindeutig Genua«, warf Signore Bartolomeo ein, »denn das ist unsere Simonetta, Gott schenke ihrer Seele Frieden.«
»Ja.«
»Können wir demnach davon ausgehen, dass die Sieben beabsichtigen, die achte Figur anzugreifen - Genua? Dass Genua kein Mitglied der Sieben ist, sondern ihr Opfer und Ziel? Dass Euer Doge nicht mit dem Rest der Verschwörer unter einer Decke steckt?«
»Da bin ich mir relativ sicher, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sich unser Doge mit Pisa und Venedig zusammentut - egal zu welchem Zweck. Entschuldigt, aber er würde eher seine Frau mit einem Straßenköter paaren, als mit seinen Todfeinden und Rivalen gemeinsame Sache zu machen«, versicherte uns Signore Cristoforo.
Mir fiel wieder ein, was Bruder Guido am Stadttor gesagt, warum er die Wächter mit mailändischem Akzent angesprochen und mir eingeschärft hatte, unsere Herkunft unbedingt zu verschweigen.
»Aber warum?«, fragte ich. »Warum Genua?«
»Die Antwort liegt in dem, was mein Bruder soeben erläutert hat«, erwiderte Signore Bartolomeo. »Genua muss sich Lorenzos Vereinigungsplänen widersetzt haben, denn welche Vorteile würden uns daraus erwachsen? Wenn die Habsburger einen Handelsvertrag mit Venedig abschließen, dann ist Genua mit einem Schlag nicht mehr La Superba, die Stolze, wie wir sie nennen, sondern wird zu einem bloßen Vorposten herabgestuft. Aus einer unabhängigen Seerepublik
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