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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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verraten. Aber alle tragen einen Goldring mit den neun Medici- palle an ihrem Daumen.«
    »Am linken Daumen, nicht wahr?« Die drängende Frage kam von Signore Cristoforo. Bruder Guido richtete erstaunte blaue Augen auf ihn.
    »Ja. Woher wisst Ihr das?«
    »Seht einmal genauer hin. Alle sieben Verschwörerfiguren verstecken ihren linken Daumen.«
    Ich musterte die Figuren nacheinander und wollte meinen Augen nicht trauen.
    Madonna.
    Wie hatten wir das nur übersehen können?
    Die flammenhaarige Pisa-Grazie verbarg ihren linken Daumen, während sie Simonetta-Genuas Hand umfasste. Fiammetta-Neapel versteckte ihren linken Daumen hinter ihrer Schwester Pisa. Semiramide-Rom verbarg ihren in den Falten ihres roten Hochzeitsumhangs; ich, Flora, den meinen unter meinem mit Rosen gefüllten Rock. Chloris-Venedigs linker Daumen war hinter der Hand versteckt, mit der sie nach dem Arm ihrer Tochter griff. Zephyr-Bozen, der blau geflügelte Kobold, verbarg seinen im Gewand der Nymphe, die er bedrängte; Merkur-Botticelli-Mailand den seinen hinter seiner Hüfte. Nur Genua - nur Simonetta - zeigte ihren linken Daumen, hielt ihn stolz um den rechten Daumen von Neapel gehakt in die Höhe. Sogar der kleine Amor, unser Führer durch das Gemälde, versteckte seinen linken Daumen hinter seinem Bogen.
    »Tatsächlich, Ihr habt recht. Ihr habt vollkommen recht!«, keuchte Bruder Guido.
    Jetzt, da ich es gesehen hatte, war mir alles klar. »Es sieht sogar falsch aus.«
    »Genau«, stimmte Bruder Guido zu. »Und wir wissen, dass in diesem Gemälde nichts auf einem Zufall beruht. Botticelli ist der genialste Künstler seiner Zeit. Sein Verständnis und
seine malerische Umsetzung des menschlichen Körpers lassen sich mit nichts vergleichen. Und trotzdem stimmt mit einigen Händen hier etwas nicht - zum Beispiel an der rechten Hand von Zephyr. Wenn man wütend oder voller Leidenschaft nach jemandem greift, benutzt man doch auch den Daumen dazu.« Seine Wangen hatten sich gerötet. Rasch fuhr er fort: »Sogar Semiramides Hand umfasst den roten Umhang nicht so, wie sie sollte. Aber Botticelli würde nie jemanden in einer unnatürlichen Haltung malen. Es muss Absicht sein, was den Schluss nahelegte, dass sie alle etwas verbergen, und zwar ihre Rolle in dem Bündnis.«
    »Es war Absicht«, unterbrach ich. »Botticelli hat selbst meine Hände arrangiert, als ich ihm gesessen habe. Jetzt fällt mir wieder ein, dass er meinen linken Daumen unter einer Stofffalte verborgen hat. Es war kein Zufall. Aber warum ausgerechnet den Daumen?«
    Bruder Guido zuckte die Achseln. »In diesen Landen ist es üblich, sich in den Daumen zu beißen, wenn man jemanden zu einem Kampf herausfordert. Ich glaube, der Ursprung dieser Geste leitet sich von dem ritterlichen Akt ab, einen Handschuh mit den Zähnen abzustreifen. Dabei beginnt man mit dem linken Daumen, damit man mit der rechten Hand nach dem linken Handschuh greifen und seinem Widersacher damit ins Gesicht schlagen kann.«
    Die Brüder konnten diesem Vortrag über Daumen kaum zur Hälfte folgen und wurden angesichts der Gefahr, die ihrer Heimat drohte, verständlicherweise immer ungeduldiger. »Und was nun?«, drängte Signore Cristoforo.
    »Wir müssen den Dogen von Genua verständigen«, entschied Bruder Guido. »Uns irgendwie eine Audienz bei ihm verschaffen, und wenn er keinen Ring am linken Daumen trägt, denke ich, können wir sicher sein, dass er nichts mit dieser Verschwörung zu tun hat.«
    Signore Cristoforo sprang auf. »Bartolomeo, alarmiere den Hafenmeister und die Stadtmiliz. Sag ihnen, sie sollen mit
Kanonen bewehrte Schiffe im Hafen bereitmachen. Sag ihnen, uns stünde ein Angriff bevor, wir hätten zuverlässige Informationen aus Venedig. Hier, nimm das« - er riss die frisch gedruckte Karte vom Tisch - »und zeig ihnen das Kreuz von Genua. Beeil dich!«
    Sein Bruder griff nach der Karte. An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Und was tust du?«
    »Ich begleite meine Freunde zum Dogen. Im Palast kennt man mich, sie werfen mich seit einem Monat dort regelmäßig hinaus, wenn ich um Geld bitte. Einen Pisaner würden sie nie vorlassen. Aber ich kann schlichtes Genuesisch mit den Wachposten sprechen.«
    »Was ist mit mir?«, protestierte ich.
    »Ihr bleibt hier«, donnerten die drei Männer wie aus einem Mund. Und sahen sich an.
    »Ich«, begann Bruder Guido, »das heißt wir wollen dich nicht in Gefahr bringen.«
    »Du beliebst zu scherzen.« Ich griff nach meinem Umhang. »Ich bin so weit

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