Das Geheimnis Des Frühlings
würde dann ein besseres Fischerdorf.«
»Und wenn Genua sich nicht mit den Sieben zusammentut, dann ist das Bündnis nicht gesichert«, spann sein Bruder den Faden weiter. »Denn Genua ist die Hintertür zu Frankreich, Portugal, Spanien und England. Diese großen Nationen werden es nicht gern sehen, wenn die Staaten der Halbinsel sich zu einem einzigen zusammenschließen, denn ein solcher, mitten in Europa gelegener Staat würde über eine ungeheure Macht verfügen. Er würde alle Handelsrouten durch das Mare Mediterraneum und den Oceanus Atlanticus kontrollieren.«
Ich kam nicht mehr ganz mit. Bruder Guido griff ein, um Klarheit in die Diskussion zu bringen, bediente sich aber wie üblich einer komplizierten Ausdrucksweise. »Interne Kriege und zivile Zwistigkeiten sorgen dafür, dass Italien Frieden mit dem Rest der Welt hält.« Er fing meinen Blick auf. »Wir sind so sehr damit beschäftigt, uns gegenseitig zu bekämpfen, dass uns keine Zeit bleibt, Krieg gegen andere zu führen.«
»Oh.« Ich nickte.
»Die italienischen Kriege und die jahrhundertelangen Streitigkeiten zwischen den Guelfen und den Ghibellinen schützte den Rest Europas vor gierigen Augen«, fügte Signore Cristoforo hinzu.
»Zugleich waren unsere vielen Staaten offen für Abkommen mit anderen Mächten, mittels derer sie ihre Position auf der Halbinsel stärken wollten - Genua mit Frankreich, Mailand mit den Bourbonen, Venedig mit den Habsburgern und die päpstlichen Staaten mit England«, fuhr sein Bruder fort. Sein hässliches, aber intelligentes Gesicht glühte. »Aber ein vereintes Italien könnte eine durch nichts aufzuhaltende Macht darstellen - reich, mit kriegserprobten Soldaten und den vier großen Flotten von Venedig, Neapel, Pisa und Genua, der größten von allen.«
»Wenn wir uns so lange bekriegt haben, dann wundert es mich, dass überhaupt noch irgendetwas übrig ist, was vereint werden kann«, entfuhr es mir.
»Mehr, als du denkst«, versicherte mir Bruder Guido. »Unsere Staaten haben ja nicht nur ihre militärischen Fähigkeiten weiterentwickelt, sondern auch große kulturelle Sprünge gemacht. Männer wie Poliziano, der über die Primavera geschrieben, und Botticelli, der sie gemalt hat, sind aus solchen Wettstreitigkeiten geborene Söhne. Jeder Staat braucht einen prunkvollen Hof, um seine Nachbarn zu übertreffen. Und zu militärischer und kultureller Brillanz kommt noch die Macht von Gott selbst«, fuhr er grimmig fort, »denn Seine Heiligkeit der Papst ist das Oberhaupt der katholischen
Kirche.« Er sprach voller Verachtung von dem hohen Amt. »Eine solche Allianz könnte die Welt beherrschen.«
»Wie sie es schon einmal getan hat«, murmelte ich, weil mir Don Ferrantes Hymne auf den Ruhm des Römischen Reiches wieder einfiel.
Bruder Guido nickte. »Der Papst ist eine entscheidende Figur in der Verschwörung. Er legitimiert den Plan in den Augen der Welt, worfür ihm Lorenzo meiner Meinung nach versprochen hat, Rom zur Hauptstadt der neuen Nation zu machen. Deswegen steht Venus auch in der Mitte der Szene, höher als alle anderen außer dem Amor.«
»Und«, fügte ich hinzu, »sie ist wie eine Königin gekleidet und hält die Hand zum Gruß erhoben.«
»Und Lorenzo de’ Medici ist die Wurzel allen Übels. Die Nadel im Kompass«, überlegte Signore Cristoforo laut.
Ich dachte über dieses Bild nach; Lorenzo als Nadel, die den anderen den Weg wies. Mein Blick wanderte zu Merkurs Schwert; scharf, gebogen, metallisch. Den anderen den Weg zeigen . »Jetzt wissen wir, warum Merkurs Schwert Richtung Westen auf Simonetta zeigt«, platzte ich heraus. »Der Feind befindet sich im Westen - Genua.«
»Wir sollten uns auch mit dem Schwert selbst befassen.« Bruder Guido zog seine eigene Waffe aus der Scheide. Die Klinge summte leicht, und unser aller Augen richteten sich auf den tödlichen Stahl. »Es ist im östlichen Stil gefertigt, den wir uns von unseren türkischen Feinden abgeschaut haben. Es ist eine sehr gefährliche Waffe. Diese Heiden kennen sich mit Kriegführung aus - das muss man ihnen lassen.«
»Und Simonetta trägt ein Perlenkreuz um den Hals, das Emblem ihrer Stadt«, schloss ich.
»Und woher wusstet Ihr, wer alles an der Verschwörung beteiligt ist?«, warf Signore Bartolomeo ein. »Das habt Ihr diesen hochrangigen Männern doch sicher nicht auf den ersten Blick angesehen, als Ihr sie kennenlerntet.«
»Einige von ihnen haben sich selbst verraten«, erwiderte
Bruder Guido. »Und einige haben andere
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