Das Geheimnis Des Frühlings
»Inwiefern?«
Der Söldner zögerte einen Moment. »Ess geht ihm nicht gutt. Vielleicht hatt err beim Fest zu viel gegessen.«
Er schloss die Tür hinter sich, ehe ich weiter in ihn dringen konnte.
Hölle und Verdammnis!
Ich warf mich auf die Kissen und zischte jeden Fluch, den ich kannte. Unpässlich, von wegen! Signore Silvio litt eindeutig an einem Anfall von Gewissensbissen, ausgelöst durch das Gejammer und die Vorhaltungen seines frommen Neffen. Die Pocken über Bruder Guido! Ich hasste ihn.
Ich ließ meiner Wut eine Weile freien Lauf, dann kroch ich unter die Decke, weil ich wusste, dass ich versuchen musste zu schlafen. Ich musste für die Audienz bei Il Magnifico so vorteilhaft wie möglich aussehen. Aber ich fand keinen Schlaf. Während ich mich auf dem Seidenlaken wälzte, dachte ich, dass sich Signore Silvio nicht schlechter fühlen konnte als ich, selbst wenn er krank war. Freuden des Bettes versprochen und dann vorenthalten zu bekommen war schlimmer, als wäre das Versprechen gar nicht erst gegeben worden. Tatsächlich hatte ich auf der Straße, in Schafpferchen und Kuhställen, in denen es von Fliegen wimmelte, besser geschlafen als in diesem luxuriösen Gemach. Der Himmel wies schon ein wässriges Grau auf, als ich aufgab und auf meine unfehlbare Methode, müde zu werden, zurückgriff. Ich ließ die Hände über meinen glatten Bauch gleiten, über die Perle in meinem Nabel und zwischen meine Beine, um die dortige Perle zu finden. Während ich dort tätig war, stellte ich mir vor, wie die Begegnung mit Signore Silvio hätte verlaufen können, aber als ich Erfüllung fand, war es das Gesicht seines Neffen, das ich vor mir sah und das mich begleitete, als ich endlich einschlief.
Ich schlief tief und lange und erwachte erst, als jemand gegen die Tür hämmerte. Ein Blick zum Fenster verriet mir, dass ich den Tag verschlafen hatte. Ich erhob mich langsam und fuhr mit meiner trockenen Zunge über meine Zähne. Wenn ich doch nur etwas zu trinken hätte! Doch in dem Wasserkrug
neben meinem Bett schwammen Bruder Guidos Austern, und bei dem fischigen Gestank drehte sich mir fast der Magen um. Ich taumelte zur Tür. Bruder Guido höchstpersönlich stand davor.
Er begrüßte mich verhalten; wusste ganz offensichtlich nicht, wie er mit einer Frau umgehen sollte, die das Bett seines Onkels geteilt hatte. Ich forderte ihn auf hereinzukommen. »Eure Leichenbittermiene ist unbegründet«, knurrte ich. »Ich habe eine ebenso keusche Nacht verbracht wie Ihr.« (Nun ja, von den Fingerspielchen unter der Decke einmal abgesehen.)
Er atmete erleichtert auf. »Ich bin wirklich froh, dass Euer Herz oder das meines Onkels der Versuchung widerstanden hat.«
Ich spielte mit dem Gedanken, ihn in dem Glauben zu lassen, ich hätte ihm zuliebe ein Opfer gebracht (was sich später zu meinen Gunsten verwenden lassen konnte), entschied mich aber dagegen, da sein Onkel schließlich wirklich krank sein konnte. »Ja, ja, sein Herz«, erwiderte ich trocken. »Oder vielleicht auch sein Magen. Laut dem Monster, das ihm dient, ging es ihm heute Nacht nicht gut.«
Bruder Guido zeigte sich sofort besorgt.
»Wusstet Ihr das nicht?«, fragte ich etwas weicher.
»Nein«, gab er zurück. »Ich war den ganzen Tag im Duomo und habe Messen für den Heiligen gehört.«
»Sogar Ihr müsst jetzt genug gebetet haben, um Euer Fasten brechen zu können.« Ich deutete auf den Kupferkrug mit den Austern. Ein Lächeln trat auf sein Gesicht, als er sich auf das Bett setzte und sich anschickte, das versäumte Festmahl nachzuholen. Er setzte gerade die größte Auster an die Lippen, als es an der Tür klopfte.
Auf meine Aufforderung betrat Tok den Raum und musterte uns einen Moment lang interessiert, ehe er seine Botschaft ausrichtete. »Signore Guido, ich habe Euch den ganzen Tag lang gesssucht. Ihrrr müsst zu Eurrem Onkel kommen. Ess geht ihm sehrrr schlecht.«
Bruder Guido ließ die Auster fallen wie eine glühende Kohle, und wir folgten Tok beide eilig.
Der Söldner schritt einen getäfelten Gang entlang und überquerte einen kleinen Hof mit einem Springbrunnen in der Mitte. Auf der anderen Seite öffnete er die Eichenholztür zum Gemach seines Herrn. Die Schlafkammer war dunkel, die Vorhänge zugezogen, und in der Luft hing ein übler Kotgestank, überdeckt von dem einem Kohlebecken entströmenden Geruch nach Weihrauch und Waldmeister, der die bösen Geister fernhalten sollte. Auf dem Bett lag bleich und hohlwangig Signore Silvio, der
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