Das Geheimnis Des Frühlings
euch verlaufen habt. Gebt das Bild doch einfach zurück.«
Bruder Guido seufzte verdrossen. Ich sah ihm an, dass er enttäuscht war. Er hatte erwartet, in seinem Onkel einen Verbündeten zu finden, und nicht damit gerechnet, dass unser großer Durchbruch als Hirngespinst abgetan wurde. »Unsere Verfolger werden uns in dem Moment aufspüren, da wir nach Florenz zurückkehren. Und selbst wenn dem nicht so wäre, würde die Stadt Signorina Vetra wegen Diebstahls verurteilen, und sie würde ihre Nase verlieren. Vielleicht auch noch ihre Hände.«
Ich schluckte beim Gedanken an die erbarmungslose Grausamkeit, mit der unser Staat Vergehen ahndete. Ich war so sehr mit den gesetzlosen Attentätern beschäftigt gewesen, die uns auf den Fersen waren, dass ich über die möglichen Konsequenzen meines Handelns für mich selbst gar nicht nachgedacht hatte. Aber Bruder Guido hatte es gewusst und versucht, mich zu schützen. Madonna . Ohne meine Nase und meine Freuden spendenden Hände würde ich nie wieder arbeiten können.
Signore Silvio nickte, dann erhellte sich seine Miene plötzlich.
»In diesem Punkt kann ich euch helfen - euch beiden. Es gibt einen Mann in Florenz, der euch begnadigen und schützen kann. Wenn er sich dazu bereit erklärt, wird niemand wagen, Hand an euch zu legen.« Er wechselte einen Blick mit seinem Neffen. »Ja«, sagte er dann schlicht. »Il Magnifico, Lorenzo de’ Medici persönlich.« Er betonte den Namen, als spräche er von Gott dem Herrn.
Nun weiß ich nur drei Dinge über den Herrscher unseres Stadtstaates Florenz, abgesehen davon, dass er im Bankgeschäft tätig und reicher als Krösus ist.
Qualcosa uno : Er wurde bei der Pazzi-Verschwörung niedergestochen, konnte aber entkommen, während sein Bruder Guiliano in der Kathedrale abgeschlachtet wurde.
Qualcosa due : Savonarola, der verrückte Mönch, den Lorenzo wegen Ketzerei auf dem größten Platz von Florenz verbrennen ließ, hat ihn mit seinem letzten Atemzug verflucht.
Qualcosa tre : Er schreibt Gedichte in toskanischer Sprache, daher auch seine Freundschaft mit Andrea Poliziano, auf die jedermann immer wieder zu sprechen kommt.
Bruder Guidos Gesichtsausdruck nach zu urteilen hatte ich den Einfluss seines Onkels gewaltig unterschätzt.
»Und du könntest ein gutes Wort für uns einlegen?«, fragte er.
Signore Silvio dachte einen Moment nach. »Ich kann sogar noch mehr tun. Er ist ein guter Freund von mir, und ich werde euch zu ihm bringen.«
Endlich meldete auch ich mich zu Wort. »Zurück nach Florenz?« In mir rangen Furcht und Freude miteinander.
Er lächelte. »Dazu besteht kein Anlass. Er besitzt hier in Pisa einen Palast, den großen Palazzo aus roten und weißen Ziegeln, den ihr heute vielleicht gesehen habt. Ein ganzes Flussufer - das Lungarno Mediceo - ist nach ihm und seiner Familie benannt. Seine Herolde haben verkündet, dass er sich zum morgigen Heiligenfest hier einfinden wird. Oder vielmehr zum heutigen.« Es war schon weit nach Mitternacht.
Bruder Guido und ich stammelten unseren erleichterten Dank. Il Magnifico konnte uns sicherlich schützen. Ich überlegte schon, wie ich mein Haar richten würde. Was konnte mir Besseres passieren als eine Verbindung mit dem größten aller Medici? Die Anziehungskraft, die Signore Silvio auf mich ausgeübt hatte, war vergessen. Doch dann nahm er meine Hand, um mich die Treppe hinunterzuführen. »Ich sehe dich dann am Morgen«, rief er Bruder Guido über die Schulter hinweg zu. »Und Ihr, Signorina«, murmelte er etwas leiser, »kommt in meine Kammer, wenn zur Laudes geläutet wird.«
Mein Herz und mein Unterleib zuckten vor Freude. Endlich würde ich wieder mit einem Mann im Bett liegen und konnte mich überdies auch noch endlich wieder sicher fühlen. Aber meine Freude war nur von kurzer Dauer, denn Bruder Guido hatte die Worte gehört.
»Signore!«
Der Padrone blieb wie angewurzelt stehen.
»Du kannst Signorina Vetra nicht in dein Bett nehmen«, begann sein Neffe hitzig. »Das schickt sich nicht. Denk an den Heiligen, dessen Festtag wir begehen!«
Signore Silvio lächelte nachsichtig. »Guido, Guido. Wie kannst du, ein Mann Gottes, das Verlangen des Fleisches verstehen? Außerdem hat Gott uns unsere Körper geschenkt, damit wir uns an ihnen erfreuen. Uns diese Freuden zu versagen wäre eine noch größere Sünde.«
»Ich? Nicht verstehen?«, bellte Bruder Guido. »Natürlich verstehe ich. Glaubst du, nur weil ich das hier trage«, er deutete auf seine Kutte,
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