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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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kaum noch etwas mit dem Mann gemein hatte, an den ich mich vom gestrigen Abend her erinnerte. Seine Haut wies einen grünlichen Schimmer auf, sein Atem kam in kurzen, abgehackten Stößen. Auf seinem Arm klebten drei fette, glänzende Blutegel und labten sich an dem vergifteten Blut. Ich wusste auf den ersten Blick, dass ich erneut einen Toten zu sehen bekommen würde. Aus Respekt, den ich selten zeige, blieb ich an der Tür stehen, aber nahe genug, um das letzte Gespräch der beiden Männer anhören zu können.
    Ich erwartete, dass Signore Silvio seinem Neffen beteuern würde, wie sehr er ihn liebte und dass er den gestrigen Streit bedauerte oder sogar, dass er ihn ein letztes Mal anflehen würde, die Kirche zu verlassen und sein Erbe anzutreten. Aber die Worte, die ich hörte, hatten damit nichts zu tun. Signore Silvio tastete mit seiner bleichen Hand nach Bruder Guidos Kutte und sagte klar und deutlich: » Muda. «
    Bruder Guido schrak merklich zusammen. »Bist du sicher?«
    Signore Silvio nickte. »Muda, Muda.« Dann: »... folge ... dem Licht .« Dann verließ ihn jegliche Klarheit, er versuchte seine Worte zu wiederholen, aber es gelang ihm nicht. Speichel rann ihm über das Kinn. Bruder Guido beruhigte ihn. Als er seine Hand auf das immer langsamer schlagende Herz seines Onkels legte, sah ich Gold aufblitzen, als der sterbende Mann den Ring von seinem Daumen auf den seines Neffen schob. In diesem Moment öffnete sich die Tür, und ein
älterer Priester betrat mit allen notwendigen Utensilien für die Sterbesakramente den Raum. Der Padrone sah, dass ein Fremder hereingekommen war, und versuchte nicht länger zu sprechen, sondern sank erschöpft in die Kissen zurück. Bruder Guido nahm dem Priester stumm die Öle ab und salbte seinen Onkel selbst, dabei betete er leise für dessen Seele. Signore Silvios Gesicht verzerrte sich plötzlich zu einer grässlichen Fratze, doch als seine verkrampfte Hand das Kreuzzeichen über seiner Brust schlug, nahm es einen friedlichen Ausdruck an. Er war tot.
    Ich zog mich mit dem Priester zurück, damit Bruder Guido ungestört von seinem Onkel Abschied nehmen konnte. Nachdem der Beichtvater mich gesegnet hatte und gegangen war, dachte ich über das nach, was ich soeben gesehen hatte. Dabei muss ich gestehen, dass mir unsere neuerliche missliche Lage noch gar nicht bewusst war. Ich dachte nicht einen Moment lang daran, dass wir unseren einzigen Beschützer verloren hatten und wie wir uns ohne Fürsprecher an Lorenzo de’ Medici wenden sollten. Auch über die letzten, reichlich bizarren Worte des sterbenden Edelmannes grübelte ich nicht nach. Ich dachte an Bruder Guido. Guido, der soeben so viel Haltung und Würde gezeigt hatte, dass ich mich für meine lüsternen Gedanken schämte. Er war ein wahrer Heiliger, und ich durfte nicht versuchen, ihn von seinem Weg abzubringen. Und doch... Als ich ihn mit seinen schlanken Händen das heilige Öl in die Stirn seines Onkels hatte reiben sehen, ihn mit seiner melodischen Stimme beten gehört und sein Gesicht beobachtet hatte, hatte ich ihn wirklich für den Engel gehalten, mit dem ich ihn einmal verglichen hatte, und ich empfand mehr für ihn als je zuvor. Zum ersten Mal erkannte ich die Gefahr, in der ich schwebte, und die drohte mir nicht von den Mördern von Florenz, sondern von meinen eigenen Wünschen und Gefühlen.
    Endlich wurde die Tür geöffnet, und Bruder Guido trat hinaus ins Licht. Seine blauen Augen blickten traurig, waren aber
trocken. Meine Beileidsbekundungen und Fragen beschied er mit einem knappen: »Wir müssen gehen.«
    »Wohin?« Ich dachte sofort an das Bild. Mussten wir wieder fliehen? Oder würden wir auch ohne die Fürsprache des Padrone um eine Audienz bei Lorenzo ersuchen? Aber es stand etwas ganz anderes an.
    »Ich muss Niccolo benachrichtigen.« Er drehte den Ring seines Onkels an seinem Daumen. Und drehte und drehte.
    »Wen?« Über das ganze Drama hatte ich vergessen, wer Niccolo war.
    Er sah mich an. »Seinen Sohn«, erwiderte er knapp.
    Und so endete der 22. Juni 1481, der Tag des heiligen Ranieri.

4
    Tok führte uns durch die sich verdunkelnden Straßen, die immer noch von Menschen wimmelten. Ich hielt den Blick auf die Fackel gerichtet, die er trug, und folgte ihr wie dem Weihnachtsstern, während ich versuchte, mir auf das Geschehene einen Reim zu machen. Bruder Guido schwieg bedrückt. Ich packte eine Hand voll von seiner Kutte, denn der Söldner ging schnell, und ich hatte Angst, in dem Gedränge

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