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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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Fuß eines hohen, burgähnlichen Gebäudes lag. Dort bildeten sie ein Flammenmeer - ein überwältigender Anblick.
    In diesem Moment empfand ich drei Dinge.
    Cosa uno : Verzückung angesichts des Bildes, das sich mir bot.
    Cosa due: Erleichterung darüber, dass wir nicht in dieser Nussschale von einer Holzbarke, die sich bereits mit Bilgewasser füllte, auf das offene Meer hinausfahren mussten.
    Cosa tre: wachsende Furcht, dass besagte Barke in Brand geraten könnte. Aber bald stellte sich heraus, dass diese Furcht unbegründet war, denn die Kerzen in den Schiffchen wurden von irgendjemandem oder irgendetwas gelöscht, sobald sie das Ufer erreichten. Als wir näher herantrieben, konnten wir eine Reihe dunkler Gestalten ausmachen, die allesamt mit Wassereimern ausgestattet waren. Ich nahm an, dass sie von der Stadt angeheuert worden waren, um in dieser trockenen Sommernacht das Feuerrisiko zu mindern, aber irgendetwas an den geräuschlosen Bewegungen und der Heimlichkeit, mit der sie zu Werke gingen, mahnte mich zur Vorsicht. Auf ein Zeichen Bruder Guidos hin presste ich mich flach auf den Boden der Barke. Wir landeten in den Binsen am Ufer und krochen
aus dem Boot auf den morastigen Untergrund hinaus. Bruder Guido zog mich hastig in die Büsche.
    »Wo sind wird«, flüsterte ich.
    »Das ist die Fortezza Vecchio, die ehemalige Burg. Seht Ihr den Zinnenturm dort oben?«
    Ich spähte durch das Blattwerk. »Ihr sagtet >die ehemalige Burg<. Was ist es jetzt?«
    »Das Arsenale.«
    Sogar ich wusste, dass ein Arsenale eine Schiffswerft war, ich hatte mit genug Schiffsbauern geschlafen. Aber ich wusste auch, dass dort für gewöhnlich bei Tageslicht gearbeitet wurde und nicht nachts. »Was geht da vor?«
    Bruder Guido zuckte die Achseln. Geduckt schlichen wir durch das Unterholz zum Fuß der Festung und hielten uns im Schatten der mächtigen Mauer. Als wir näher kamen, hörten wir Geräusche: Hämmern, Sägen und die Rufe der Arbeiter. All das war durch irgendein akustisches Phänomen auf dem stillen Wasser nicht zu hören gewesen.
    »Die Biegung des Flusses und die dicken Mauern müssen bewirken, dass der Lärm nicht zur Stadt hinüberweht«, flüsterte Bruder Guido. Er deutete nach oben, und wir zwängten uns durch eine kleine Tür. Über uns erhob sich der verfallene Turm der alten Burg. Die Wendeltreppe war stark beschädigt, und Krähen nisteten in den Dachtraufen. Vorsichtig kletterten wir die bröckeligen Stufen empor, fort von der ohrenbetäubenden Kakophonie, bis wir die Spitze des Turmes erreichten. Unter uns glitzerte Pisa wie das Firmament der Venus. Doch das Bild vor und unter uns ließ eher an den Kriegsgott Mars denken.
    Auf einem von Menschenhand angelegten See innerhalb der mächtigen Burg dümpelte eine Flotte riesiger Schiffe in verschiedenen Stadien der Fertigstellung. Mit den massiven Bugen und den zinnenbewehrten Vorderdecks glichen sie bis ins kleinste Detail einem Bild, das ich erst gestern gesehen hatte. »Das Schiff neben der Tür des Turms«, flüsterte
ich Bruder Guido zu, der daraufhin wiederholt nachdrücklich nickte. Er hatte es ebenfalls bemerkt - das genaue Abbild dieser Kriegsschiffe war in den schiefen Turm von Pisa eingemeißelt. Ein Hinweis, ein in Stein verewigter Code. Ich spürte mit hundertprozentiger Sicherheit, dass diese Schiffe irgendetwas mit der Primavera und dem cartone zu tun hatten, der sicher in meinem Mieder verstaut war.
    Ich beobachtete die im Fackelschein ihren Tätigkeiten nachgehenden Arbeiter. Es waren Hunderte, wenn nicht gar Tausende. Segelmacher huschten wie geschäftige Ameisen über die Decks, Schmiede hämmerten Eisenteile zurecht. Der Geruch von Zedernholz, Teer und Segeltuch stieg mir in die Nase. Dann tippte mir Bruder Guido auf die Schulter. Ich drehte mich um und sah auf dem dunklen Fluss hinter der Festung die Umrisse eines weiteren Schiffes und dahinter noch eines und noch eines - Schiffe, so weit das Auge reichte. Wären die Kerzenboote weiter flussabwärts getrieben, hätten sie diese ganze Armada leicht in Brand setzen und in Asche verwandeln können. Der Ausguck des uns am nächsten gelegenen Schiffes befand sich direkt neben dem Turm, fast auf gleicher Höhe mit uns. Die Fahne Pisas mit dem Stadtkreuz flatterte so nah vor meinem Gesicht, dass ich sie mühelos hätte berühren können. Madonna , was ging hier vor?
    Mir musste vor Überraschung ein unterdrückter Laut entschlüpft sein, denn unter uns ertönten plötzlich aufgeregte Rufe, und einige

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