Das Geheimnis Des Frühlings
Begleiterin liebt die Weise, die Eure Musiker gerade spielen, ganz besonders. Sie möchte gern tanzen, denn sie beherrscht diese Kunst sehr gut, und sie kann nicht still sitzen bleiben, wenn die Musik sie ruft.«
Ich nickte nur lächelnd dazu, sonst hätte ich behaupten müssen, unter der Schüttellähmung zu leiden. Doch gerade als ich dachte, wir würden damit davonkommen, klatschte der König in die Hände. »Das trifft sich gut«, rief er in die plötzliche Stille hinein. »Ein Tanz! Spielt diese Weise noch einmal«, wies er die Musiker an. »Unsere Gäste werden uns jetzt mit der Vorführung eines Tanzes im pisanischen Stil erfreuen.«
Ich erdolchte Bruder Guido mit den Blicken, musste aber einräumen, dass er auch nicht allzu glücklich wirkte. Wegen meiner eigenen Tanzkünste machte ich mir keine Sorgen, ich hatte nicht gelogen, als ich ihm in der Nacht, in der wir die Haltungen der drei Grazien analysiert hatten, gesagt hatte, ich könne gut tanzen. Ich hatte aber keine Vorstellung davon, wie bewandert ein Mönch auf diesem Gebiet war. An seinem Äußeren war nichts auszusetzen, aber was, wenn er zwei linke Füße hatte?
Meine Sorgen erwiesen sich als unbegründet. Die Musiker spielten eine einfache, langsame pavane , und wir drehten uns in der Mitte des riesigen Saales gleichermaßen anmutig umeinander;
ein Rabe und eine Schwänin. Ich war erfreut und überrascht zugleich: Er musste wirklich die Erziehung eines jungen Adeligen genossen haben, bevor er in das Kloster eingetreten war. Wenn diese letzte Enthüllung nicht gewesen wäre, hätte ich den Tanz genossen. Wir besprachen das Thema leise flüsternd miteinander, wann immer die vorgeschriebenen Schritte uns zusammenbrachten. »Also seid Ihr - ist Niccolo - verlobt?«
»Ja.«
»Mit der Tochter der Dogaressa? Aus Venedig?« Oh, welche Ironie!
»Ja. Das wurde beschlossen, bevor mein Vetter auf die Universität gegangen ist.«
Meine Gedanken wirbelten durch meinen Kopf wie ich über die Tanzfläche, als wir uns voneinander abwandten und jeder einen weiten Kreis durch den Saal beschrieben, ehe wir uns wieder bei den Händen fassten. »Aber er ist ein Finnochio! Schwul wie eine Nachtigall!«
Bruder Guido verdrehte die Augen. »Also wirklich, Luciana. In Eurem früheren Gewerbe müsst Ihr doch gelernt haben, dass eine Vorliebe für... die Gesellschaft von Knaben einen Mann nicht daran hindert, eine halbwegs glückliche Ehe zu führen.«
Ich musste ihm recht geben. Ich hatte viele florentinische Edelleute gekannt, Männer, die nie an mich oder eine meiner Kolleginnen herangetreten waren und die das eingegangen waren, was Bembo als matrimoniale bianco bezeichnet hatte, eine weiße Ehe. »Aber wo bleibt denn da die Liebe?«, entfuhr es mir, weil ich wieder an das denken musste, was ich an diesem Nachmittag erfahren hatte: dass für den Adel menschliche Gefühle und Regungen nicht zählten. »Wird das arme Mädchen an einen grausamen Mistkerl gekettet, der nicht das geringste Interesse an ihr hat? Kein Spaß im Bett?« Ich konnte mir nichts Schlimmeres vorstellen.
»Ihr redet wie ein Einfaltspinsel. Die Vorteile einer solchen
Verbindung sind immens. Er besitzt Land, sie auch, dazu noch zahlreiche Schiffe. Ich dachte, Ihr würdet derlei Transaktionen verstehen. Liebe hat damit nichts zu tun. Und wenn dem nicht so wäre, bezweifle ich, dass Ihr mit Eurer früheren Tätigkeit genug für Euren Lebensunterhalt verdient hättet.«
Er hatte nicht ganz unrecht. Bei einer Ehe ging es eher um Geschäftliches als um Gefühle. Aber es war nicht richtig. »Es ist nicht richtig«, sprach ich meine Gedanken laut aus.
»Das habe ich auch nicht behauptet. Menschen wie Vieh zu verschachern, nur weil sie reich und von adligem Geblüt sind, fand ich moralisch schon immer verwerflich; das war einer der Gründe dafür, dass ich in ein Kloster eingetreten bin, sonst wäre die venezianische Jungfrau zweifellos für mein Bett bestimmt gewesen.« Er schnitt eine Grimasse. »Aber zum Glück habe ich mit weltlicher Liebe nichts mehr zu schaffen. Ich kenne nur noch die Liebe zu Gott, wie es jeder Mönch tun sollte.«
Ich erwog flüchtig, ihm zu erzählen, mit wie vielen Mitgliedern seines Ordens ich es in den dunklen Ecken seines eigenen Klosters getrieben hatte, aber dann fiel mir ein besseres Argument ein. »Fra Filippo Lippi war auch ein Mönch«, führte ich einen von Florenz’ berühmtesten Künstlern als Beispiel an. »Und er hat eine Nonne geheiratet und ein Kind
Weitere Kostenlose Bücher