Das Geheimnis Des Frühlings
gezeugt.«
Bruder Guido zuckte die Achseln. »Es gibt einige, die den Orden verlassen, um doch lieber ein weltliches Leben zu führen. Aber ich gehöre nicht zu ihnen. Ich werde den Rest meiner Tage in Keuschheit verbringen und nur nach göttlicher Liebe streben.« Ich registrierte, dass er mir dabei nicht in die Augen sehen konnte. »Und außerdem verstehe ich diesen Gefühlszustand ohnehin nicht. Liebe zwischen zwei Menschen und die Exzesse, zu denen sie führen kann, sind mir ein Rätsel. Was ist Liebe denn überhaupt?«
Ich nahm ihm das alles nicht ganz ab. Der Kuss, den er auf dem sinkenden Flaggschiff so leidenschaftlich erwidert hatte und der seither unerwähnt geblieben war, hatte mehr mit weltlicher Liebe zu tun, als er glaubte. Oder zumindest mit
menschlichen Begierden. Er hatte sich ja nicht umsonst zur Strafe gegeißelt. Aber er hatte eine interessante Frage in den Raum gestellt, auf die ich die Antwort zu wissen glaubte.
»Liebe bedeutet, einen anderen Menschen so sehr zu mögen, dass man einen anderen Begriff dafür finden muss«, verkündete ich mit Bestimmtheit. Aber da mein Freund nicht überzeugt wirkte, kam ich auf unser ursprüngliches Thema zurück. »Und wann soll die Hochzeit stattfinden?« Mein verwirrter Verstand konnte nicht auf Anhieb zwischen Bruder Guido und Niccolo unterscheiden; fast war mir so, als sollte Ersterer verheiratet werden und nicht der Mann, für den er sich ausgab.
»Ich weiß es nicht. Das wurde alles festgelegt, als ich in Santa Croce war. Aber wenn es nicht in den nächsten Tagen schon so weit ist, bin ich vor den Hörnern der Ehe sicher.«
Der Tanz endete, und er verneigte sich, wobei er ein Lächeln unterdrückte. Ich wusste nicht, was ihn so amüsierte, und kehrte vor Neugier brennend zu unserem Tisch zurück, wo der König begeistert Beifall klatschte und seine kriecherischen Höflinge sich beeilten, es ihm nachzutun.
»Wunderbar!«, krähte er, dann griff er nach meiner Hand, und ich knickste, als er sie mit den Lippen streifte. Er schien sie nur widerwillig freizugeben, also setzte ich mich auf Bruder Guidos Stuhl, denn ich wollte die Gelegenheit nutzen, ihm ein paar Fragen zu stellen.
»Die Frau, mit der Signore Niccolo verlobt ist...«, begann ich.
Der König neigte nachsichtig den Kopf. »Die Tochter der Dogaressa?«
»Warum nennt man sie so? Warum nicht die Tochter des Dogen ?« Ich wusste, dass Doge der Titel des Herrschers meiner Geburtsstadt Venedig war und Dogaressa der seiner Frau.
»Weil es heißt, dass Mutter und Tochter sich gleichen wie ein Ei dem anderen. Dazu kommt, dass die Dogaressa einen bemerkenswert starken Willen hat - sie hat sich aus der Gosse hochgearbeitet, denn sie war einst nichts weiter als eine Kurtisane.
Man sagt, sie würde ihren Mann völlig beherrschen, und die Leute behaupten auch, unter ihren kostbaren Gewändern würde ein Schwengel hängen und ihre Eier würden gegeneinanderklacken wie Glocken, denn der Doge hätte keine.« Er kicherte auf eine Art, die mir zu verstehen geben sollte, dass niemand ihm nachsagen würde, er würde unter dem Pantoffel seiner Frau stehen. Was mich herzlich wenig interessierte. »Und ist sie hübsch? Die Tochter, meine ich?«
Jetzt lächelte er; sichtlich belustigt, dass jemand wie ich so ganz offensichtlich Eifersucht verspürte. Für die meisten Mätressen von Edelmännern bedeutete eine Heirat ihres Gönners nicht das Ende der Beziehung, wie sein eigenes Trio bewies.
»Dazu kann ich nichts sagen, denn sie hat all diese Jahre fernab der Außenwelt in einem Kloster gelebt. Aber ich weiß, dass ihre Mutter so strahlend ist wie ein Maimorgen; so schön, dass sie nach venezianischer Mode oft eine Maske trägt, weil sonst jeder Bewohner der Stadt stehen bleiben würde, um sie anzustarren, und alles Leben in den Straßen zum Erliegen käme.«
Mein Gesicht musste sich so säuerlich verzogen haben, als hätte ich in eine Zitrone gebissen, denn Don Ferrante begann jetzt schallend zu lachen. »Aber lasst den Kopf nicht hängen. Selbst wenn sie Venus selbst wäre, erschiene sie neben Euch wie eine Kerze neben der Sonne. Es heißt, Töchter seien wie Pfannkuchen - je mehr man davon macht, desto besser gelingen sie. Wenn das zutrifft, muss Euer Vater von Eurer Mutter ein Dutzend Töchter geboren bekommen haben, bevor er Euch zeugte.«
Das war Don Ferrante, wie er leibte und lebte; auf ein poetisches Kompliment folgte eine zotige Bemerkung über Pfannkuchen. Der Mann war König und gemeiner Bürger,
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