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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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hatte gedacht, der König wäre überall beliebt. Vielleicht sollte er noch ein paar Barone umbringen.
    Er gebot den Protesten mit erhobener Hand Einhalt. »Nein, nein, Freunde. Lorenzo de’ Medici hat unserem Königreich in der Vergangenheit Scherereien bereitet, das ist richtig, und wir standen nicht immer auf gutem Fuß miteinander. Aber seit er mir vergangenes Jahr einen Besuch abgestattet und mir seinen Tribut entrichtet hat, sind unsere Zwistigkeiten beigelegt. Ich
betrachte uns als Brüder - wir sind nicht immer einer Meinung, aber durch Blutsbande aneinandergeschmiedet.« Die Zwischenrufer verstummten, und die Spannung ließ merklich nach. »Und aus diesem Grund feiern wir heute die Verlobung seines geliebten Vetters Lorenzo di Pierfrancesco de’ Medici mit Semiramide Appiani aus dem Hause Aragón.«
    Ich hatte Mühe, ihm zu folgen. Lorenzo de’ Medici hatte Streit mit Don Ferrante gehabt, war aber im vergangenen Jahr nach Neapel gekommen, um Frieden zu schließen und Wiedergutmachung zu leisten. Sein Vetter, Botticellis Mäzen, sollte ein Mitglied von Don Ferrantes Familie heiraten. War diese Verbindung der Tribut Il Magnificos an das Haus Aragón? »Ich wüsste zu gern, weswegen sie sich gestritten haben«, flüsterte ich meinem Nachbarn zu. »Muss eine ernste Sache gewesen sein, wenn Il Magnifico Don Ferrante seinen eigenen Vetter als Versöhnungsunterpfand anbietet.«
    »Scht!«, zischte Bruder Guido, denn der König sprach bereits weiter.
    »Und uns wurde die Ehre einer Einladung zu den Hochzeitsfeierlichkeiten zuteil, die in zehn Tagen stattfinden werden.«
    Aha. Hieß das, dass Lorenzo di Pierfrancesco gen Süden reisen würde, um in der Heimat seiner Braut zu heiraten? In welchen Teil des stinkenden Südens würde es uns als Nächstes verschlagen? Mit einem Mal überkam mich das seltsame Gefühl drohenden Unheils.
    »Daher erheben wir jetzt unsere Gläser und trinken auf das Wohl der Braut und des Bräutigams, auf die Vorteile, die uns aus dieser Verbindung erwachsen und auf unsere bevorstehende Reise. Ich betrachte es als glückliche Fügung, Neapel gerade jetzt für einige Zeit verlassen zu können, denn wie ihr alle wisst, hat sich das Blut unseres heiligen San Gennaro in diesem Jahr nicht verflüssigt.«
    Was er damit meinte, war mir schleierhaft. Ich ließ den Blick über die Höflinge hinwegwandern; wartete darauf, dass
jemand über diesen Scherz lachte, der über mein Begriffsvermögen hinausging, sah aber überall nur ein ernstes, zustimmendes Nicken. Die Köpfe der Edelleute wippten auf und ab wie Korken in einem Fass. Ich musterte unseren Gastgeber ungeduldig. Um der Liebe Vero Madres willen - sag uns endlich, wohin die Reise geht!
    »Und deswegen werden wir der schönen Stadt Florenz einen Besuch abstatten.«
    Ich hatte gerade einen Schluck Wein im Mund, der sich jetzt wie ein Regenschauer über den Tisch ergoss. Bruder Guido umklammerte meinen Arm so fest, dass es schmerzte, und die Höflinge, der König eingeschlossen, verstummten und starrten mich an. »Schluckauf«, murmelte ich. »Tut mir leid.«
    Die verwirrte Miene des Königs wich einem Lächeln. »Angesichts solcher Schönheit ist so ein kleines Missgeschick leicht zu verzeihen.«
    Nach außen hin entspannte ich mich wieder, aber in meinem Inneren tobten die Gefühle. Florenz ? Zurück in die Höhle des Löwen, wo uns der sichere Tod erwartete? Ich bedachte Bruder Guido mit einem finsteren Blick, aber er blieb unverändert heiter und gelassen und tätschelte nur aufmunternd meine Hand. Ich starrte in meinen Schoß und versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, was in mir vorging, während der König fortfuhr: »Und nun werde ich euch das kleine Geschenk zeigen, das ich zum Zeichen meiner Freundschaft mit den Medici eigenhändig für das glückliche Paar angefertigt habe.«
    Der allgegenwärtige Haushofmeister Santiago zog mit einer schwungvollen Geste ein schwarzes Seidentuch von einem klobigen Gegenstand in der Mitte des Tisches. Eine wunderschön geschnitzte, fast fertiggestellte Darstellung der Geburt Christi kam zum Vorschein, ein kleines hölzernes Wunder. Wir beugten uns alle vor, um besser sehen zu können. Kein Detail fehlte. Der lachende Säugling hob seine sternenförmigen Händchen zu der knienden Jungfrau Maria empor. Jede Kleinigkeit war perfekt herausgearbeitet - jede Haarsträhne, jeder Edelstein
in der Krone der Könige, sogar ein Rotkehlchen sang auf einem Dachbalken. An dem glänzenden weißen Holz erkannte ich

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