Das Geheimnis Des Frühlings
gebildet und gewöhnlich zugleich. Aber ungeachtet der Verpackung hatte er mir zwei Komplimente gemacht, was mich in der Tat hell wie die Sonne strahlen ließ.
»Es ist wirklich bedauerlich, dass wir nicht alle bei der Wahl
unserer Gemahlin unserem Herzen folgen können«, fuhr er fort, dabei tätschelte er die Hand seiner eigenen Königin auf eine Weise, die mir verriet, dass die beiden tatsächlich eine große Zuneigung verband. »Was Euch betrifft, so könntet Ihr mit diesem Täubchen keinen besseren Griff tun, Signore Niccolo.«
Bruder Guido, der dies als Aufforderung betrachtete, sich an dem Gespräch zu beteiligen, quittierte diese Würdigung seines guten Geschmacks mit einem anmutigen Nicken.
»Denn sie ist die wiederauferstandene Fiammetta.«
Jetzt war es an Bruder Guido, zusammenzuzucken und seinen Wein auszuprusten. »Wie bitte, Majestät?«
Der König, der wohl dachte, der Festlärm hätte seine Worte verschluckt, beugte sich vor und brüllte über mich hinweg: »Ich sagte, sie ist das Ebenbild von La Fiammetta - das goldene Haar, die weiße Haut, die dunklen, geschwungenen Brauen...« Mit den Händen zeichnete er meine Vorzüge in die Luft, als würde er schnitzen.
Bruder Guido, der plötzlich blass geworden war, nickte nur schwach.
»Als gebildeter Mann wie ich selbst werdet Ihr dies zu schätzen wissen«, fuhr der König fort. »Wusstet Ihr, dass Giovanni Boccaccio hier in Neapel in einer Kirche erstmals dazu inspiriert wurde, über die Fiammetta zu schreiben? Es heißt, er hätte meine eigene Vorfahrin, Maria d’Aquino, eine Tochter des Hauses Aragón, bei einem Gottesdienst gesehen und sei danach von ihrer Schönheit besessen gewesen. So wurde sie zu seiner Muse Fiammetta.«
Ich blickte wieder zu Bruder Guido, wobei ich mir vorkam, als würde ich ein Tennisspiel verfolgen. Er hatte sich bemerkenswert rasch von seinem Schock erholt. »Natürlich habe ich von ihr gehört. Und ich bin mit den Werken Boccaccios recht gut vertraut.« Letzteres glaubte ich ihm sofort, bei Ersterem war ich nicht sicher. »Ihr müsst sehr stolz auf Euer literarisches Erbe sein, Majestät.«
Er hätte nichts Besseres sagen können, um dem König zu schmeicheln - diesem Banausen, der sich einbildete, ein Gelehrter zu sein.
»Ich bin sicher, dass Ihr auch eine umfangreiche Bibliothek Euer Eigen nennt«, fuhr Bruder Guido fort. Seine Stimme verriet mir, dass er auf etwas ganz Bestimmtes abzielte.
»Die habe ich, die habe ich«, nickte der König, während ich mich fragte, worauf all das letztendlich hinauslaufen würde.
»Würdet Ihr mir gestatten, mir die L’elegia di Madonna Fiammetta für den heutigen Abend ausleihen zu dürfen? Ihr habt in mir den Wunsch geweckt, das Buch noch einmal zu lesen, und zwar mit anderen Augen, da ich ja jetzt weiß, dass die Dame Eure berühmte Vorfahrin war.«
Der König sah aus wie ein Hund, der plötzlich festgestellt hat, dass er seine eigenen Eier lecken kann. »Selbstverständlich! Santiago!« Doch der Haushofmeister war schon verschwunden, um das Buch zu holen. »Aber wenn ich an Eurer Stelle wäre«, der König winkte, und Bruder Guido beugte sich näher zu ihm, »dann würde ich das Buch nach einer Weile zur Seite legen und mich an der Fiammetta aus Fleisch und Blut erfreuen.« Ein anzüglicher Blick streifte meine Brüste, dann brach Don Ferrante in schallendes Gelächter aus. Der Gelehrte war einmal mehr hinter den Lüstling zurückgetreten.
Sobald es die Gebote der Höflichkeit zuließen, entschuldigte Bruder Guido uns, und wir verließen das Fest. Ich grollte auf dem gesamten Weg zurück zu unseren Kammern, weil ich meinen Wein nicht hatte austrinken können. Aber sowie sich die Tür seines Raumes hinter uns geschlossen hatte, brannte ich darauf, unsere Jagd nach der Lösung des Rätsels fortzusetzen, denn auf Bruder Guidos Kissen lag ein kleiner Band, ein in roten Buckram gebundenes, mit Gold gepunztes, ledernes Buch. »Gut«, sagte ich, während mein Freund mit zitternden Händen danach griff. »Erklärt mir die ganze Geschichte von vorne. Dieser Schriftsteller, Giovanni Boccaccio...«
»Hat vor über hundert Jahren gelebt und neben anderen bedeutenden Werken auch das Dekameron verfasst.«
Ich erwiderte nichts darauf, da ich noch nie davon gehört hatte. »... und in irgendeiner Kirche hier in Neapel eine ganz bestimmte Frau gesehen.«
»Vermutlich Maria d’Aquino, die Prinzessin von Aragon.«
»Und hat angefangen, über sie zu schreiben.«
»Sie wurde seine
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