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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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die Schnitzarbeit wieder, mit der der König früher am Tag beschäftigt gewesen war, und erinnerte mich an die unzähligen Krippenszenen, die in den Straßen feilgeboten wurden. Keine reichte an die heran, die wir jetzt bestaunten. Während die Höflinge ihrer Bewunderung Ausdruck verliehen, ergriff der König erneut das Wort, diesmal mit sichtlichem Stolz. »Und die Völker werden wandeln in ihrem Licht...«
    »Und die Könige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in sie bringen«, beendete Bruder Guido den Satz, als vervollständige er ein Kennwort.
    Ich hielt den Atem an, falls seine Worte als Kränkung aufgefasst wurden, doch der König lächelte erneut. »In der Tat. Ihr kennt die Heilige Schrift. Was für einen Führer seines Volkes auch angemessen ist.« Jetzt wandte er sich an den ganzen Saal. »Christus war der größte Führer der Menschheit überhaupt, denn er hat uns auf dem Kalvarienberg unseren Weg aufgezeigt. Sagt mir«, er sprach wieder zu Bruder Guido, »was haltet Ihr denn von meinem Geschenk.« Don Ferrante senkte in gespielter Bescheidenheit den Kopf. Zweifellos erwartete er ein Kompliment.
    »Ich würde dazu sagen: Timeo Danaos et Dona Ferentes «, erwiderte Bruder Guido. Seine Augen blickten eisig, sein Gesicht war zu einer Maske des Stolzes erstarrt. Er hatte ganz eindeutig Lateinisch gesprochen und übersetzte seine Worte für die weniger Gebildeten unter uns sofort mit weithin vernehmlicher Stimme. »Hüte dich vor Griechen, die Geschenke bringen.«
    Diesmal war er zu weit gegangen. Sämtliche Höflinge hielten den Atem an, und ich schielte voller Entsetzen zu dem König hinüber, der meinen Freund kalt und ohne zu lächeln anstarrte. Im Geiste versetzte ich Bruder Guido einen kräftigen Rippenstoß. Worauf zur Hölle zielte er ab? Stolz und Arroganz an den Tag zu legen, war ja gut und schön, aber doch
bitte nur sorgsam genug dosiert, um alle Anwesenden zu überzeugen, dass er wirklich Niccolo della Torre war. Mit offener Unverschämtheit verhielt es sich ganz anders - wollte er uns denn unbedingt ans Messer liefern? Und mich hatte er wegen des Zwischenfalls mit dem Wein gerügt!
    Don Ferrante gab ein paar kehlige Laute von sich, woraufhin Santiago sofort aufsprang, um ihm Wein nachzuschenken. Doch der König wehrte mit einer Handbewegung ab. Er war hochrot im Gesicht, und ihm waren Tränen in die Augen getreten. Hatte ihn der Zorn auf seinen Gast so überwältigt, dass er gerade eine Art Schlaganfall erlitt? Aber nein, Bruder Guido hatte seine Antwort gut gewählt, Don Ferrante lachte nämlich, und sein Gefolge von Speichelleckern fiel augenblicklich mit ein, bis ich mir vorkam, als sei ich in ein Rudel jaulender Schakale geraten.
    »Ausgezeichnet«, japste der König. »Wirklich ausgezeichnet. Mein Ehrengast hat soeben ein Wortspiel mit meinem Namen betrieben. Dona ferentes , Don Ferrante . Sehr gut.« Er sank auf seinen Stuhl zurück, murmelte vor sich hin und lachte ab und an noch immer leise auf. Da begriff ich, dass der König mächtig, erbarmungslos und vielleicht sogar gefährlich war, aber nicht gerade mit großen Geistesgaben gesegnet. Er bewunderte Gelehrsamkeit, strebte selbst danach, und das hatte Bruder Guido klar erkannt. Er hatte ein Bibelzitat vervollständigt, einen lateinischen Scherz gemacht, den Don Ferrante gerade noch verstand, und sich so bei dem König, der ihm jetzt auf die Schulter klopfte, lieb Kind gemacht.
    »Mein Geschenk ist ganz unbedeutend. Nur eine wertlose Kleinigkeit.« Der König schwenkte eine Hand achtlos in Richtung der Schnitzerei, die all dies ausgelöst hatte, und wartete auf den unvermeidlichen Widerspruch seitens seines Gastes. Und Bruder Guido enttäuschte ihn nicht.
    »Da bin ich ganz anderer Meinung, Majestät«, gab er zurück. »Andere Geschenke mögen einen größeren materiellen Wert haben - Gold, Juwelen und Ähnliches -, aber das handwerkliche
Geschick, das Eure Arbeit auszeichnet, macht sie unbezahlbar.«
    Sogar ich, die geborene Schmeichlerin, fürchtete, er könnte zu dick aufgetragen haben, aber nein, der König strahlte.
    »Wenn Euch die Schnitzerei so gut gefällt, fertige ich vielleicht auch für Euch eine an. Für Eure bevorstehende Hochzeit. Mit der Tochter der Dogaressa, nicht wahr? Eine hervorragende Partie.«
    Während Bruder Guido zustimmend den Kopf neigte, schoss ich ein Stück von meinem Stuhl hoch. Hochzeit ?
    Zum zweiten Mal an diesem Tag sah mich der König schief an. Bruder Guido griff hastig ein. »Meine schöne

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