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Das Geheimnis Des Frühlings

Das Geheimnis Des Frühlings

Titel: Das Geheimnis Des Frühlings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Fiorato
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neuerliches Grollen ertönte, dann bebte die Erde ein
weiteres Mal. Während wir auf das Tor zuratterten, ergoss sich ein Geröllregen auf das seidene Dach unserer Kutsche. Es zerriss knirschend, unsere Köpfe wurden mit Staub und winzigen Steinen gepudert, und die Königin und ich begannen um die Wette zu kreischen. Unsere Pferde jagten weiter, beschrieben Bögen um Trümmerteile und schluchzende Frauen, die am Straßenrand knieten. Ich gestattete mir nicht, darüber nachzudenken, wen und was sie alles verloren hatten - wir mussten nur noch das Tor erreichen, dann konnten wir diese Hölle hinter uns lassen. Kurz darauf kamen wir an der Statue des Flussgottes Nil vorbei, der die Katastrophe zu meiner Freude unbeschadet überstanden hatte und hoffentlich noch weitere tausend Jahre an seinem Platz stehen würde. Zum Dank für seine Warnung vor dem Aussätzigen warf ich ihm eine Kusshand zu, doch diesmal schwieg er, wahrscheinlich hatte ihn die Zerstörung seiner Zitadelle in einen Schockzustand versetzt. Aber sein Anblick verriet mir, dass wir uns in unmittelbarer Nähe der Stadttore befanden. Die Kutsche donnerte in einem Malstrom aus Staub um die Ecke, schlingerte durch das Tor, die Straße stieg an, und dann gelangten wir auch schon hoch in die Hügel, weit weg von dem Chaos in der verwünschten Stadt unter uns. Die Erde hatte sich wieder beruhigt. Ich registrierte verwundert, dass die Sonne noch am Himmel stand.
    Wir schüttelten uns Steinchen und Staub aus dem Haar. Der Kutscher zügelte die Pferde und lenkte sein Gefährt die Klippenstraße hinauf. Der Anblick grüner Platanen und Olivenhaine übte eine beruhigende Wirkung auf mich aus. Als das Dröhnen in meinen Ohren nachließ, fand ich die Sprache wieder. »Was ist passiert?«, krächzte ich mit vom vielen Schreien heiserer Stimme. »Sind wir von unten von Sappeuren beschossen worden? Waren tausend Kanonen auf uns gerichtet?«
    Don Ferrante lächelte. Es schien ihn kaum zu berühren, dass wir nur um Haaresbreite dem Tod entronnen waren. »Die alten Götter haben die Erde geschüttelt. Ich habe von derartigen Beben schon gehört, hätte aber nie geglaubt, dass sie so
stark ausfallen könnten.« Gelassen klopfte er sich Staub von seinem Samtärmel, ehe er durch das Fenster wieder auf die zerstörte Küstenlinie blickte. »Die Römer hielten Neptun, den Gott des Meeres, für den ›Schüttler der Erde<; sie glaubten, er würde diese Beben verursachen. Aber in Wirklichkeit sind es Unruhen in der Erde, die bewirken, dass das Meer zurückweicht und als die Riesenwelle zurückkehrt, die Ihr gesehen habt.«
    »So etwas ist schon einmal vorgekommen?« Ich schluckte hart.
    »Vor gut tausend Jahren hat hier in Neapel ein Erdbeben Kaiser Neros Bühnendebüt als Musiker unterbrochen«, warf Bruder Guido eifrig ein. »Plinius hat darüber geschrieben. Nero meinte, die Götter würden ihn um seine Gaben beneiden.«
    Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Ich hätte wissen müssen, dass er seinen Senf dazugeben würde.
    »Ja, ja, das ist eine der alten Geschichten«, unterbrach Don Ferrante, dem ich ansah, dass ihm Bruder Guidos überlegenes Wissen missfiel. »Die Götter mögen Neapel gezürnt haben, aber unsere Haut haben sie gerettet.«
    »Nur dass ich nicht an Götter im Plural glaube«, gab Bruder Guido, der wie immer das letzte Wort haben musste, zurück. »Ein einziger Gott, unser aller Vater, hat uns vor dem Tod bewahrt.«
    »Sicher, sicher«, erwiderte Don Ferrante etwas von oben herab. »Und wir werden Gelegenheit bekommen, Ihm in Seinem spirituellen Heim auf Erden zu danken - unserem nächsten Ziel. Ich habe mich nämlich gezwungen gesehen, unsere Pläne etwas abzuändern.« Ich hörte, wie Bruder Guido zischend den Atem einsog, achtete aber nicht weiter darauf, denn ich wunderte mich zu sehr darüber, wie kalt den König die Zerstörung eines großen Teils seines Reiches zu lassen schien - vom Verlust einer mit Angehörigen seines Hofes besetzten Kutsche ganz zu schweigen. Hoffentlich hatte nicht
das freundliche Mätressentrio darin gesessen. Santiago dagegen würde ich kaum eine Träne nachweinen.
    »Wir können es angesichts der jüngsten Ereignisse nicht riskieren, die Küstenstraße zu benutzen, da die Gefahr besteht, dass noch weitere Erdstöße folgen«, fuhr der König ungerührt fort. »Also fahren wir Richtung Norden und dann über die Via Appia.«
    Bei diesen Worten trat ein strahlendes Lächeln auf Bruder Guidos Gesicht. Ich wurde aus diesem Mann

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