Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
Guy wissen. Inzwischen hatte er fertig gegessen und wischte sich den Bratensaft mit dem Hemdärmel vom Kinn. Maggie nickte.
»Denn kenn ich«, erwiderte Guy, wobei selbst aus seiner Stimme Bewunderung klang. »Der ist hochanständig und redet keinen Mist. Aber auch wenn das mit den Ratten Quatsch ist, würden mich keine zehn Pferde ins Haus reinbringen.«
Monster, Geister, Zauberer ... Jack wusste nicht mehr, wem und was er glauben sollte. Doch morgen, wenn er zu diesem Haus am Fluss gegangen war, verstand er hoffentlich mehr. Vielleicht würde er dort sogar tatsächlich seinen Bruder finden, und alles wäre wieder gut.
Am nächsten Tag pfiff der Wind durch die Gassen und Straßen Londons. Das warme Sommerwetter hatte dem erstenHerbststurm Platz gemacht. Blätter, die von der Hitze des Sommers ausgetrocknet waren, wirbelten von den Bäumen, und die Zelte am Jahrmarkt flatterten gefährlich, als würden sie jeden Augenblick wie riesige Krähen vom Boden abheben. Trotzdem war dort genauso viel los wie jeden Tag. Die Besucher ließen sich nicht von dem schlechten Wetter abhalten. Als die Mittagsglocken der Stadt läuteten, hatte Jack bereits ertragreiche Beute ergattert. Selbst Tommy war es gelungen, einen Fingerhut zu stehlen, den er wie eine Trophäe immer wieder aus seinem Beutel zog und bewunderte. Er war wie ausgewechselt und wollte plötzlich so viele neue Tricks wie möglich lernen. Das Üben an James hatte sich gelohnt.
»Zeig mir den Rempeltrick«, bettelte er.
Doch Jack war nicht danach zumute, dem Jungen neue Tricks beizubringen. Er hatte für den Rest des Tages andere Pläne. Das einzige Hindernis war Tommy, denn für das, was er vorhatte, stand der Junge ihm nur im Weg. Seine Chance, ihn an Maggie und Eliza abzuschieben, hatte er jedoch verpasst, und nun blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Vorhaben entweder auf einen anderen Tag zu verschieben oder den Neuen mitzunehmen. Er wollte endlich zum Haus des Zauberers gehen, um sich dort nach Ned und den anderen verschwundenen Kindern umzusehen. Während er selbst ins Haus einstieg, konnte Tommy davor Wache stehen. Falls Jack, Gott behüte, es aus irgendwelchen Gründen nicht mehr schaffen sollte, aus dem Haus zu entkommen, könnte der Neue den anderen zumindest mitteilen, wo er abgeblieben war.
Wenig später schritten die Jungen über die Brücke aufs andere Flussufer zu. Noch ahnte Tommy nicht, wohin sie gingen.
Da Kit am Vortag das Haus und den Weg dorthin beschrieben hatte, dauerte es nicht lange, bis sie davorstanden. Tommy wurde erst in dem Augenblick bewusst, was der ältere Junge plante, als dieser das Gebäude von der anderen Straßenseite aus musterte.
»Das Haus des Zauberers«, flüsterte er und wurde noch blasser als gewöhnlich. »Du willst da nicht rein, oder? Bitte tu’s nicht. Sonst verwandelt er dich auch in ’ne Ratte.« Er war den Tränen nahe. »Mich kriegst du da bestimmt nicht rein!«
Himmel noch mal! Konnte Tommy sich nicht zusammenreißen? Die Frau in der Bäckerei gleich neben ihnen schaute schon ganz neugierig in ihre Richtung. Wenn er weiterjammerte, würde bald jeder im Umkreis wissen, dass sie das Haus gegenüber ausspionieren wollten.
»Halt die Klappe!«, wies ihn Jack zurecht. Da brachte ihn der Duft frisch gebackener Pastetchen auf eine Idee. Auf dem Verkaufstisch des Zuckerbäckers häuften sich die köstlichsten Backwaren: süße Apfelpastetchen, Mandeltörtchen, Früchtebrot mit Rosinen ... Jack kramte in seinem Beutel und zog eine Münze hervor.
»Hier«, sagte er und reichte Tommy das Geld. »Such dir was aus.« Das Gebäck würde ihn zumindest kurz ablenken.
Tommy griff glückstrahlend nach der Münze und kaufte sich ein Mandeltörtchen. Das zuckrige Gebäck ließ ihn tatsächlich den Zauberer vergessen. Während sie in einem Durchgang standen, der neben der Bäckerei und dem Nachbarhaus auf einen Hinterhof führte, kaute er jeden Bissen langsam und genussvoll. Das gab Jack die Gelegenheit, das gegenüberliegende Gebäude aus der Ferne genauer zu betrachten.
Anders als die restlichen Häuser der Straße handelte es sichnicht um einen Fachwerkbau, sondern um ein solides, riesiges Steinhaus, das aussah, als hätte es bereits seit vielen Jahrhunderten hier gestanden. Die Zinnen und Türmchen, die das Dach und das oberste Stockwerk zierten, ließen das Gebäude fast wie eine kleine Burg aussehen. Wenn es irgendwo in der Stadt spukte, dann wäre dieses alte Gebäude der geeignete Ort dafür. Hatten die Leute
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