Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
»Zuckerbäcker gegenüber« hatte in Schnörkelschrift auf dem Blatt gestanden. Alyss konnte nicht nur die feinen Kuchen in der Auslage sehen, sondern auch den leckeren Duft nach Frischgebackenem riechen. Der riesige, graue Steinbau dagegen sah nicht gerade einladend aus.
»Ich warte«, ermutigte Sassa sie.
Alyss blickte an sich herab. Hemd, Hose und Wams waren schmutzig. Aus dem rechten Stiefel quoll ein Zipfel Verband hervor. Sie nahm die Mütze ab und versuchte mit ihren Fingern wenigstens ihre kurzen Locken zu bändigen. Auch wenn Sir Christopher ein Freund ihres Vaters gewesen war, würdeer sie in dieser Aufmachung vermutlich sowieso gleich wieder wegschicken. Wieso sollte er auch glauben, dass der schmutzige Junge die Tochter von Ralph Sinclair war. Sie hatte keinen Beweis.
Ihre Hände zitterten, als sie den Türklopfer anhob und auf die Tür fallen ließ. Das laute Klopfen hallte im Haus wider, doch ansonsten blieb es still. Nur das Krächzen einer Elster aus dem Garten hinter der Mauer war zu hören. Elstern waren ein schlechtes Omen. Beth, die alte Haushälterin in Hatton Hall, war überzeugt gewesen, dass sie Unglück brachten, und spuckte stets dreimal auf den Boden, wenn sie den Ruf des Pechvogels hörte. Auch nach einem zweiten Klopfen rührte sich nichts. Erst jetzt bemerkte Alyss, dass alle Fenster, trotz des warmen Wetters, verschlossen und die Vorhänge zugezogen waren. Sie begann die Mauer, die seitlich vom Haus zum Fluss hinabführte, entlangzulaufen.
Man konnte Efeu sehen, der von der anderen Seite über das Gemäuer wucherte. Daneben streckten Apfelbäume voller rotbackiger Früchte ihre Äste gen Himmel. Die kleine Pforte, die Alyss in der Maueröffnung zum Garten fand, war verschlossen, und als Sassa über die Mauer blickte, bestätigte er nur, dass auch die Vorhänge der Fenster auf der Gartenseite des Hauses zugezogen waren. Niemand war zu Hause, nicht einmal die Dienstboten. Alyss war den Tränen nahe. Der Salamander war verschwunden, Onkel Humphrey war ihr sicher bereits dicht auf den Fersen und Sir Christopher war verreist. Über ihren Köpfen krächzte es, als eine Elster sich von einem Ast des Apfelbaums in die Luft erhob.
Zufall
Montag, 9. September 1619
Am liebsten hätte Jack den Jungen vom Markt und seinen doofen Salamander dorthin geschickt, wo der Pfeffer wächst. Wegen ihm wurde er von Moll dazu verdonnert, all ihre Spiegel blitzblank zu polieren. Als ob es nicht schon erniedrigend genug war, all die Spiegel zu putzen, war dies noch dazu Mädchenarbeit, und die anderen Jungs machten sich über ihn lustig. Er polierte den ganzen Vormittag, und als er endlich fertig war, kam Orlando angeturnt, um sein Werk mit schmutzigen Pfoten zu verschmieren. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als von Neuem zu beginnen. Am Abend, als sich die älteren Jungs aus Molls Bande auf dem Dachboden versammelten, um Karten zu spielen, hockte er erschöpft auf seiner Strohmatratze.
Er begann einzudösen, als ihn lautes Gebimmel auffahren ließ. Die Glöckchen, die an James, dem Strohmann, befestigt waren, klingelten wie verrückt. Tommy hatte sich entschlossen, Meisterdieb zu werden, und versuchte die Strohpuppe auszutricksen. Allerdings stellte er sich immer noch etwas ungeschickt an.
»Du musst deine Hand ruhiger halten.« Eliza hatte die Rolle der Lehrermeisterin übernommen.
Unermüdlich schlichen die beiden Kleinen um den Strohmann herum. Jack gähnte. Es waren eine lange Nacht und ein langer Tag gewesen. Erst der Ärger am Jahrmarkt, die Nacht im Zelt des Menschenfressers und danach Molls verfluchte Spiegel. Eigentlich hatte er heute zum Haus des Zauberers am Fluss gehen wollen, um sich dort umzusehen. Er machte sich unvorstellbare Sorgen um seinen Bruder. Hoffentlich fand er am Haus des Zauberers einen Hinweis. Jetzt war es zu spät dazu, denn durch die Dachluke konnte man bereits Sterne am Himmel aufleuchteten sehen, und somit konnte er die Brücke ohnehin nicht mehr passieren. Aus der Küche drang der unwiderstehliche Geruch nach Bratwürsten. Er musste die Suche nach seinem Bruder auf den nächsten Tag verschieben.
»Hallo Schlaffi.« Guy knuffte Jack in die Seite. »Keine Lust, ’ne Runde mitzuspielen? Oder hat dich die Hausarbeit zu sehr erledigt.« Die anderen Jungen kicherten. Nur Tommy und Eliza, die immer noch um James herumschlichen, hatten die Bemerkung nicht gehört.
Bevor Jack sich auf Guy werfen konnte, erschien Maggie durch die offene Klappe im Dachboden, in der Hand
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