Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
ist wirklich nicht zu spaßen.«
Moll musterte den Indianer abschätzend. »Ich hab keineAngst vor Menschenfressern und Riesen«, meinte sie schließlich. »Aber wenn ich angestrengt nachdenke, kann ich mich vielleicht daran erinnern. Ach ja, da war so ’n wertloses Schmuckstück mit Glassteinen. Tut mir leid. Da seid ihr zu spät. Das hab ich heute früh bereits verkauft.«
»Ihr habt den Salamander verkauft?« Alyss konnte es nicht fassen. Jetzt waren sie so weit gekommen, und nun war der Salamander schon wieder weg. »Da gibt’s nur einen Weg«, meinte sie, forscher, als sie sich fühlte. »Ihr müsst ihn der Person wieder abkaufen.«
Moll zuckte mit den Schultern, doch dann fing sie Sassas Blick auf.
»Komm in zwei Tagen wieder«, gab sie schließlich klein bei. »Ich werde sehen, was sich machen lässt. Und dich, mein lieber Jack, werde ich mir später vorknöpfen.« Sie drehte sich endgültig um und marschierte in den hinteren Teil des Ladens. Der Affe auf ihrer Schulter schnatterte, als würde er die Besucher verspotten.
»Ich komm garantiert wieder«, rief Alyss ihr noch hinterher, dann wandte sie sich an den Indianer. »Komm, Sassa, wir können hier nichts weiter ausrichten.« Ohne Jack auch nur einen weiteren Blick zu schenken, schritt sie stolz an den beiden Mädchen vorbei aus dem Laden. Erst am Ende der Gasse blieb sie stehen. Tränen liefen über ihre schmutzigen Wangen. Doch so schnell würde sie nicht aufgeben.
»Ich geh jetzt zu Sir Christopher«, meinte sie. Sie hatte Sassa und den Schaustellern am Morgen berichtet, wieso der Salamander so wichtig für sie war und wieso sie nach London gekommen war.
»Vielleicht glaubt er mir ja auch ohne dieses dumme Erkennungszeichen, wer ich bin.« Sie schniefte laut und wischte sich mit dem Hemdärmel übers Gesicht.
»Ich lass dich nicht allein gehen«, erwiderte der Indianer bestimmt. »Die Straßen der Großstadt sind für Kinder viel zu gefährlich. Da gibt es zwar keine Bären oder Schlangen wie bei mir zu Hause, doch viele Banditen und Taschendiebe.«
»Aber ich habe nichts mehr, was man klauen kann«, erwiderte Alyss, doch dann fiel ihr Onkel Humphrey ein. Vielleicht war es doch keine so üble Idee, wenn der Indianer sie begleitete.
»Aber was ist mit Master Tubney? Wird der nicht sauer, wenn du zu spät kommst?«
»Ist noch genug Zeit«, meinte er. »Komm. Ich will dich wenigstens bis zum Haus begleiten.«
Wenig später schritt Alyss mit dem Wilden aus Virginia durch das Tor mit den schrecklichen Köpfen. Es war kaum zu fassen. Erst gestern hatte sie befürchtet, dass sie im Kochtopf der Jahrmarktsleute landen würde, und jetzt spazierte sie mit dem Mann durch London. Alle Angst war wie weggeblasen. Während sie sich durch das Gewühl auf die andere Seite der Brücke drängten, betrachtete sie das braune Gesicht des Indianers, der nur wenige Schritte vor ihr ging. Es war unglaublich, wie ihr die fremden Gesichtszüge in so kurzer Zeit vertraut geworden waren. Wie wenn ihr Vater ihr von seinen abenteuerlichen Reisen berichtete, wurde sie auch Sassas Schilderungen nicht überdrüssig. Als Alyss in der vergangenen Nacht im Zelt der Schausteller aufgewacht war und nicht wieder einschlafen konnte, vertrieb sie sich die Zeit damit, sich mit dem Indianer zu unterhalten. Da er ohnehin an der Reihe war, den Dieb zu bewachen, war dies auch für ihn eine willkommene Abwechslung. Sie hatte Sassa mit allen möglichen Fragen über die Neue Welt gelöchert, die er bereitwillig beantwortet hatte. Er hatte ihr von seinem Leben in Virginia, von dichten Wäldern, die reich an Wild waren, von Seen und Flüssen voll mit Fischen erzählt und von fruchtbaren Feldern, auf denen goldenes Korn wuchs. Während er sprach, waren seine Augen voller Sehnsucht – wie die ihres Vater, dachte Alyss, wenn er von einer seiner Seereisen zurückkehrte.
»Und wohin jetzt?«, riss er sie aus den Gedanken, als sie am gegenüberliegenden Ufer angekommen waren.
Wie gut, dass sich Alyss noch an Vaters Anweisungen erinnern konnte, auch wenn sie den Zettel zu Hause gelassen hatte. Sie mussten links von der Brücke in eine breite Straße, die parallel zum Fluss lief, einbiegen. Von dort führten in kurzen Abständen Gassen zwischen den Bauten zur Themse hinab, wo hin und wieder das Segel eines Flussboots aufblitzte und die Rufe der Schiffer zu hören waren.
»Das muss es sein.«
Sie waren vor einem Gebäude angekommen, auf das die Beschreibung ihres Vaters genau passte.
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