Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
Pech gebracht.
»Master Milton wird dich jetzt empfangen«, riss sie die Stimme der Haushälterin aus ihren Gedanken. »Komm mit.«
Alyss schritt hinter der Frau einen langen Gang entlang, in dem Möbelstücke mit weißen Leintüchern verhängt waren.
»Ich bin immer noch dabei, das Haus für die Rückkehr von Sir Christopher herzurichten«, erklärte sie redselig. »Während die Herren verreist waren, habe ich selbst meine Schwester in Sussex besucht.« Sie blieb vor einer Tür stehen und klopfte an.
»Die junge Dame, die mit Sir Christopher sprechen will«, kündigte sie Alyss an.
Das Mädchen trat an der Frau vorbei in den Raum. Ringsum erstreckten sich Bücherregale an den Wänden, vom Boden bis zur Decke. Der leichte Geruch von Druckfarbe und Leder erinnerte Alyss an die Bibliothek in Hatton Hall. Neben dem Fenster saß ein junger Mann, der sich konzentriert über den Tisch beugte und sich zunächst von dem Besuch nicht stören ließ. Vor ihm lagen beschriebene Blätter, und gerade tauchte er ohne Eile einen Federkiel in sein Tintenfass und kritzelte etwas auf einen Bogen Papier. Erst als die Dienstmagd sich leise räusperte, nahm er von dem Gast Kenntnis, blickte jedoch immer noch nicht von seiner Arbeit auf.
»Wie kann ich helfen?« Er streute Sand auf die feuchte Tinte und musterte Alyss dann skeptisch. »Hast du nicht gesagt, es handelt sich um ein Mädchen? Wo ist die Tochter von Ralph Sinclair?«
Alyss fuhr sich verlegen durch die kurzen Locken. Zwar hatte sie sich am Morgen von Aurelia einen Kamm geliehen und Hände und Gesicht gewaschen, doch ihre Hose und das Hemd waren nach wie vor verschmutzt und zerknittert, ihr Gesichtschon wieder tränenverschmiert. Zudem hatte der Wind die gekämmten Haare zerzaust. Natürlich würde ihr niemand glauben, wer sie war. Auch wenn die gutmütige Haushälterin mit ihr Mitleid gehabt und sie ins Haus eingelassen hatte, bedeutete dies noch lange nicht, dass dieser Mann ihr ebenfalls Glauben schenken würde.
»Guten Tag. Entschuldigt die Störung. Ich heiße Alyss Sinclair«, stellte sie sich höflich knicksend vor. »Ich bin Ralph Sinclairs Tochter.«
Der Mann hinter dem Schreibtisch musterte sie immer noch argwöhnisch. Dann plötzlich fing er an zu lachen. Er lachte und lachte und konnte sich kaum mehr beruhigen. Schließlich gab er der Frau, die immer noch im Türrahmen stand, ein Handzeichen. »Ist gut, Joan, du kannst gehen. Ich werde mich um die junge Dame kümmern.« Alyss wies er an, sich auf den Stuhl zu setzen, der seinem Schreibtisch gegenüberstand.
»Deine Maskerade ist gut«, meinte er. »Fast hättest du mich an der Nase herumgeführt, allerdings habe ich noch keinen Jungen gesehen, der so einwandfrei knickst, wie du es gerade getan hast.« Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. »Wenn du weiterhin als Junge durch die Welt gehen willst, lernst du besser, dich zu verbeugen.« Er schob das Blatt Papier, auf das er zuvor geschrieben hatte, zur Seite. »Ich kann es kaum erwarten zu erfahren, wieso die Tochter von Ralph Sinclair, der, soviel ich weiß, auf See verschollen ist, als Straßenjunge verkleidet in London unterwegs ist? Gehört es sich nicht für eine junge Dame, mit Begleitung zu reisen?«
Zwar hatte Sir Christophers Assistent sicher keine Ahnung von der Abmachung zwischen seinem Herrn und ihrem Vater,doch Alyss entschloss sich, dem Mann trotzdem alles zu berichten. Falls Sir Christopher noch länger verreist war, könnte er ihr vielleicht aus der Patsche helfen.
»Zeig mir den Salamander!«, war das Erste, was Master Milton sagte, nachdem Alyss ihm von Humphrey Ratcliff und Vaters Abmachung mit Sir Christopher erzählt hatte. Dabei beugte er sich so nah zu ihr herüber, dass sie seinen Atem spüren konnte.
»Der Salamander ...«, begann sie und wollte gerade den zweiten Teil ihres Abenteuers nach ihrer Ankunft in London berichten, als sie von einem Klopfen unterbrochen wurde.
Es war die Haushälterin. »Master Milton, es tut mir wirklich leid, Euch zu stören, aber da ist schon wieder ein Besucher, der mit Sir Christopher sprechen möchte.«
»Wer ist es?«, fragte der Assistent ungehalten. »Wir haben hier Wichtiges zu besprechen.«
»Ein Master Humphrey Ratcliff. Meint, es sei äußerst dringend. Ich habe ihm schon gesagt, dass er wiederkommen soll, wenn Sir Christopher zurück ist, aber er hat darauf bestanden, noch heute mit Euch zu sprechen.«
Gütiger Himmel! Für einen Augenblick hatte Alyss das Gefühl, als schwebe
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