Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)
vielleicht doch recht, wenn sie behaupteten, Geister würden ihre Kinder stehlen? Schickte der Zauberer seine Geistergehilfen aus, um Jungen und Mädchen einzufangen, oder lockte er sie nur durch vorgetäuschte Botengänge ins Haus?
Die unteren Fenster waren zur Straßenseite hin vergittert. Es war unmöglich, von dort einzusteigen. Die dunklen Fenster im ersten Stock waren zu hoch. Doch links vom Haus konnte Jack eine Mauer sehen, die um die Ecke herum bis hinab zum Ufer der Themse reichte. Selbst von der Bäckerei aus konnte man zwischen den Gebäuden ein Stück Fluss ausmachen. Gerade segelte ein Boot vorüber, die rotbraunen Segel aufgebläht. Die meisten Häuser am Ufer besaßen ihre eigenen Anlegeplätze mit einem Ausgang zum Wasser hinaus. Bestimmt war es am einfachsten, von dort ins Haus zu gelangen. Doch vor Wasser hatte Jack großen Respekt, und wenn möglich wollte er diesen Weg lieber vermeiden. Die kleine Pforte in der seitlichen Mauer war sicher verriegelt. Am besten war es, wie Kit über die Mauer zu steigen.
Jack war gut im Klettern. Es wäre ein Kinderspiel, sie zu erklimmen und in den Garten auf der anderen Seite zu springen. Er musste sich dazu nur an einem der Äste, die über die Mauer hingen, hochziehen. Der einzige Nachteil war, dass er für alle deutlich sichtbar sein würde.
Er blickte die Hauptstraße entlang, wo um die Mittagszeit viel Verkehr herrschte. Karren fuhren vorüber und Fußgänger eilten in beide Richtungen. Gerade rannte eine Gruppe von Schülern dicht an den beiden Jungen vorüber. Die Buchstabentafeln, die sie an Bändern um den Hals trugen, hüpften auf und ab. Ein plötzlicher Windstoß kam auf und wirbelte Staub durch die Straße. Der schwarze Hut eines Mannes flog in die Luft und rollte wie ein Rad auf die Brücke zu. Die Schüler lachten, der Mann beschimpfte sie kurz, dann rannte er seinem Hut hinterher. Ein Reiter ritt in westlicher Richtung, wo am Ende der Straße die Fleet, ein schmutziges Rinnsal, in die Themse mündete.
Bridewell, das gefürchtete Erziehungsheim , dachte Jack schaudernd, stand gleich auf der anderen Seite . Weder der Reiter noch die anderen Passanten schienen die beiden Jungen zu beachten. Nur eine Dienstmagd, einen Henkelkorb am Arm, musterte sie misstrauisch, ging jedoch wortlos weiter. Jack musste es riskieren. Wenn das Fuhrwerk, das gerade mit klappernden Rädern vorüberfuhr, sie passiert hatte, würde er über die Mauer klettern.
»Du bleibst hier stehen und rührst dich nicht vom Fleck, bis ich wiederkomme«, wies er Tommy an, der immer noch an seinem Mandeltörtchen knabberte.
»Aber«, wandte Tommy ein, doch Jack ließ ihn nicht zu Wort kommen.
»Warte, bis die Glocke dreimal schlägt.« Er wusste, dass man von hier aus die Kirchenglocken von St. Pauls hören konnte. »Wenn ich bis dann nicht wieder raus bin, geh zurück zu Maggie.«
Tommy schluckte, und obwohl ihm die Angst immer nochvom Gesicht abzulesen war, nickte er folgsam. Dann plötzlich hob er seinen Arm und deutete auf die andere Straßenseite.
»Guck! Der Junge! Der ist gestern mit dem Menschenfresser im Laden gewesen. Ich hab ihn oben von der Treppe aus gesehen.«
Tatsächlich, der dunkelhaarige Junge vom Jahrmarkt war vor dem Haus stehen geblieben und blickte zögernd die Fassade hoch. Der Wind wehte ihm die Haare ins Gesicht, seine Mütze hatte er abgenommen und hielt sie in der Hand. Der Wilde war nirgendwo zu sehen. Was wollte er hier? Hatte man ihn, wie Will Cooke, mit einer falschen Botschaft hierher geschickt? Da Jack seinen Beutel geklaut hatte, nahm er an, dass der Junge sonst nichts besaß. Vermutlich hatte er für ein paar Münzen leichtgläubig einen Botengang angenommen, ahnungslos, was ihn hinter der schweren Eichentür erwartete. Jetzt griff der Junge nach dem Türklopfer. Man konnte das laute Klopfen sogar von der anderen Straßenseite hören.
Obwohl Jack ihm immer noch die Schuld gab, dass er gestern den ganzen Tag Spiegel poliert hatte, konnte er nicht zulassen, dass dem Jungen etwas geschah.
»He«, rief er, doch der andere hörte ihn nicht.
Im nächsten Augenblick wurde die Tür geöffnet. Der Junge wechselte ein paar Worte mit einer Dienstmagd, und bevor Jack auf die andere Straßenseite rennen konnte, um ihn zu warnen, war er in die Eingangshalle getreten und die Tür fiel schwer hinter ihm ins Schloss. Es war zu spät. Der Junge war in die Fänge des Zauberers geraten.
Ratten
Dienstag, 10. September 1619
Als Alyss es nach dem ersten
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