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Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)

Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition)

Titel: Das Geheimnis des goldenen Salamanders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renée Holler
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aufstehen. Sie lag auf der Strohmatratze, ihr Gesicht glühend vor Fieber. Mit schwacher Stimme hatte sie Jack, der damals selbst erst acht Jahre alt gewesen war, gebeten, immer auf seinen vierjährigen Bruder aufzupassen. Erst als ihr Jack sein Wort gegeben hatte, schloss die Mutter beruhigt die Augen. In der folgenden Nacht starb sie.
    »Jack!« Molls tiefe Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Die große, kräftige Frau, die nie einen Rock, sondern immer nur Männerhosen, Hemd und Wams trug, blickte ihn erwartungsvoll an. »Na los! Erklär dem Neuen den Scherengriff.«
    Doch Jack starrte immer noch mit leerem Blick vor sich hin.
    »Verdammt noch mal, Jack! Ich dachte, du bist ’n Meistertaschendieb, mein bester Schüler. Aber statt aufzupassen, bist du heute so ’n richtiger Dussel.« Während sie ihn tadelte, turnte Orlando, ihr kleiner Affe, auf ihren Schultern laut schnatternd hin und her.
    »Der Scherengriff, na los!«
    Jacks helle, sommersprossige Haut färbte sich tiefrot, fast so rot wie seine leuchtenden Haare. Er schluckte. Sein Hals schien wie ausgetrocknet.
    Tommy, der Neue, ein magerer, blasser Junge, blickte ihn mit großen Augen an. Als Maggie, die älteste der Bande, ihn vor ein paar Tagen bei der London Bridge aufgelesen hatte, war er gerade dabei gewesen, die Gosse nach Essbarem zu durchsuchen. Irgendwie erinnerte der Neue ihn an seinen Bruder. Er war genauso dünn, gleichaltrig, und selbst seine Haare hatten einen leichten Stich ins Rote, obwohl sie mehr ins Braune gingen, während Neds Haare so flammend rot leuchteten wie die seines Bruders. Wie Tommy hatten Jack und Ned nach dem Tod der Mutter ebenfalls versucht, sich allein in den Straßen Londons durchzuschlagen. Bis Guy sie auflas und zu der seltsamen Frau in Männerkleidern brachte. Moll bot ihnen ein Dach über dem Kopf und ausreichend zu essen, auch wenn sie als Gegenleistung von ihren Zöglingen erwartete, dass sie hart arbeiteten und täglich die gestohlene Ware ablieferten.
    »Man muss seine Finger wie ’ne Schere bewegen«, erklärte Jack schließlich, während er gleichzeitig seine rechte Faust hochhob. Langsam streckte er den Zeige- und den Mittelfinger und führte sie, wie die Schneiden einer Schere, seitlich auseinander und wieder zusammen. »Damit kann man Sachen aus Taschen ziehen, ohne dass es die Leute spüren.«
    Moll nickte, während sie ihre Pfeife paffte und mit dem Rauch Ringe in die Luft blies. Ihr Äffchen versuchte unermüdlich, die Kringel einzufangen.
    »Hände«, meinte sie, »sind für euch so was wie ’n Hammerund Eisen für ’nen Schmied. Ihr müsst sie geschmeidig halten, nur so werdet ihr zu echten Meisterdieben.« Sie stellte sich breitbeinig vor die Jungen und Mädchen, hob ihre Arme, während sie ihre Finger mehrmals streckte und beugte. »Fingerfertigkeit, Geschicklichkeit und Menschenkenntnis, das sind unsere besten Waffen. Viel besser als ’ne Muskete oder ’n Dolch von ’nem Straßenräuber. Obwohl so was auch überaus nützlich sein kann.« Sie klopfte mit der Linken auf den Griff ihres Messers, das an ihrem Gürtel baumelte, und zwinkerte den Kindern zu. Danach wandte sie sich wieder an Jack. »Zeig dem Neuen, wie ’n geschickter Dieb sein Opfer beklaut, ohne dass es was merkt.« Mit einer kurzen Kinnbewegung deutete sie in die Mitte des Raums.
    Dort baumelte ein lebensgroßer Strohmann an einem Seil, das am Dachbalken befestigt war. Sie nannten ihn James. Er trug Kniehosen, Stiefel, ein Wams und eine Jacke. Auf seinen Strohkopf hatten die Kinder ihm einen breitrandigen Hut gesetzt. Bis auf sein Gesicht sah er so echt aus, dass Jack und Ned, als sie vor vier Jahren zum ersten Mal Molls Dachboden betreten hatten, mächtig erschrocken waren. Sie waren überzeugt gewesen, dort hinge ein Mann. Doch Jack hatte James inzwischen gut kennengelernt. Der Strohmann war eine Übungspuppe für die jungen Taschendiebe. Er half dabei, Tricks zu erlernen und ihre Fingerfertigkeit zu testen.
    Taschendiebstahl war keine Kunst, die man von einem Tag auf den anderen lernte. Man musste viel üben und James war geduldig. Doch wer glaubte, dass es ein Kinderspiel war, eine Strohpuppe zu bestehlen, hatte sich getäuscht. Nur weil James keine Augen im Kopf hatte und nichts spüren konnte, bedeutete das nicht, dass er nicht wachsam war.
    Zögerlich erhob sich Jack von der Matratze, auf der er mit den anderen Kindern – Tommy, Hal, Walter, Tim, Maggie und Eliza – hockte, alle Augen auf ihn gerichtet. Nur Orlando,

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