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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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Alters, und noch heute, über
zwanzig Jahre später, denke ich jede Nacht an sie.
    Und dennoch, trotz meiner Gefühle,
wurde mir damals von Tag zu Tag schmerzlicher bewusst, dass eine Trennung
unvermeidlich war. Zweifellos würde der Kreuzzug in einem Desaster enden, und
um nichts in der Welt wollte ich Augusta weiter in ihr Verderben rennen lassen.
Sie musste zurück, solange Genf nicht allzu weit hinter uns lag. Auch stand für
mich außer Frage, dass ich weiterhin bei dem Zug verbleiben müsse, denn den
Auftrag, zu retten, was noch zu retten sei, meinte ich nur allzu deutlich
vernommen zu haben.
    Da half kein Jammern und kein Klagen,
mein Entschluss stand fest, und zeigte sich Augusta auch anfangs nicht gewillt,
die Heimreise ohne mich anzutreten, so trieb sie doch die Sorge um die sieben
Knaben und Mädchen, deren wir uns in den vergangenen Tagen angenommen und um
die wir uns wie um unser eigen Fleisch und Blut gekümmert hatten. Wie Ihr Euch
sicherlich denken könnt, war es ein tränenreicher Abschied, selbst die Trennung
von den sieben Kindern, alle weit unter zehn Jahre alt, fiel mir denkbar
schwer. Ich versprach Augusta, sie so schnell wie möglich in Cölln aufzusuchen,
und steckte ihr sämtliche Nahrung zu, die ich entbehren konnte. Auch gab ich
ihr meine mit Wasser gefüllte Ziegenhaut und log sie an, der Zug würde bald die
schneebedeckten Hänge erreichen.
    Bevor sie ging, flüsterte ich ihr
zu, sie solle nicht sämtliche Vorräte an die Kinder verteilen, dann drehte ich
mich um und kehrte ihr und unseren Zöglingen den Rücken zu. Ich wandte mich
auch nicht mehr um, als ich mich wieder dem Zug anschloss und bergan Richtung
Süden marschierte…
    … Himmel, Arsch …!«,
fuhr Robert plötzlich auf, woraufhin seine beiden Zuhörer unwillkürlich
zusammenzuckten.
    »Wie oft schon musste ich an jenen
Abschied denken und daran, was hätte werden können, wenn ich mitgegangen wäre.
Im Hause ihres Vaters hätte ich dessen Plattnerhandwerk fortgeführt, und
zwischen den Harnischen und Panzern für die Herren Ritter würden meine Kinder
hin und her huschen und meine immer noch liebreizende Augusta täte gerade
reichlich Essen auf. Doch was soll das Gezeter? Hätte! Wäre! Wenn! Sei’s drum,
es sollte halt nicht sein, Punktum! Und zumindest eines mag mich trösten: Ich
habe in einem Jahr mehr erlebt und mehr von der Welt gesehen, als die meisten
anderen in ihrem ganzen Leben.
    Augusta verließ uns
gerade noch zur rechten Zeit, denn nun folgten Schlag auf Schlag die
Ereignisse, welche unsere Mission zu einer Legende werden ließen. Den steilen
Pfad hinaufkletternd, verfluchte ich nicht nur meine Halsstarrigkeit, die mich
davon abgehalten hatte, mit meiner Liebsten den Rückweg anzutreten, ich dachte
auch mit Wehmut an meine prall gefüllte Wasserhaut, denn nur einmal am Tage
wurde Wasser ausgeteilt. Das war natürlich kaum genug zum Leben, wenn auch in
den Früchten und Wurzeln, die es darüber hinaus gab, noch etwas Saft steckte. Sehnsüchtig
schaute nicht nur ich während unseres langen Marsches in Richtung der
aufgehenden Sonne, denn dort, gar nicht so fern und doch unerreichbar,
funkelten schneebedeckt die Gipfel der Alpen, dort gab es Wasser zuhauf. An die
Kälte wollte ich in dem Moment nicht denken.

     
    *

     
    Zehn Tage waren derweil vergangen, seit wir Genf
hinter uns gelassen hatten. Inzwischen wurde unsere Haut tagsüber gnadenlos von
der Sonne versengt, während es zur Nacht auf ein fast unerträgliches Maß
abkühlte. Von Tag zu Tag wurden es mehr Brüder und Schwestern, die sich zur
Umkehr entschlossen, doch ich befürchte, dass die wenigsten von ihnen ihre
Heimat je wiedergesehen haben, zu weit war inzwischen der Weg durch Fels und
Stein zurück in jene Landstriche, die uns Menschen mit dem Notwendigsten
versorgten.
    Nach wie vor ging ich in
der Spitze des Zuges. Hier hoffte ich, zu Nikolaus vordringen zu können, denn
noch hatte ich es nicht vollends aufgesteckt, ihn in einem klaren Moment von
der Ausweglosigkeit unseres Kampfes wider die Naturgewalten überzeugen zu
können. Eine Hoffnung, die sich jedoch rasch als aussichtslos herausstellen
sollte, denn seine Gefolgschaft wusste sehr wohl, wie sie mich von ihm
fernhalten konnte.
    Häufig schaute ich zurück auf den
Rest des Zuges. Das dichte Gedränge und der Elan der ersten Tage waren längst
verflogen, nun trotteten alle still und einzig mit sich allein beschäftigt
hintereinander her. Teilweise taten sich große Lücken auf, sodass unser

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