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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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abgelöst. Wir benutzten keine Metallwerkzeuge, da
die Gefahr, einen Verschütteten damit zu verletzen, zu groß gewesen wäre. So
also mussten wir mit unseren Händen und stumpfen Holzstücken vorlieb nehmen.
Meine Finger sahen am Morgen nach dem Unglück grausig aus. Auf das Doppelte
geschwollen, blau und grün gefärbt und mit Wunden übersät, konnte ich sie eine
Woche kaum gebrauchen, doch hatte ich noch Glück gehabt. Einem Kameraden, der
uns mit seinem unglaublichen Eifer immer wieder aufs Neue antrieb, raubte das
Wundfieber zuerst beide Hände und letztendlich das Leben. Friedhelm, so hieß
er, wenn ich mich recht entsinne, kam aus Worms und war gerade einmal vierzehn
Jahre alt. Friede sei seiner großmütigen Seele, möge der Herr ihm die Gnade
zuteil werden lassen, die ihm wahrhaftig auch gebührt.«
    »Diesem Wunsch und den Gebeten für
Euren Kameraden schließe ich mich gern an, doch sagt, habt Ihr denn viele
Verschüttete aus ihrer Not erretten können?«, fragte Albert, konzentriert an
Roberts Lippen hängend und wie gebannt seinen Ausführungen folgend, während
Osman verzweifelt gegen eine bleierne Müdigkeit ankämpfte. Gerade schien der
Kampf verloren, denn das Kinn fiel ihm schwer auf sein Brustbein, da schreckte
er wieder hoch, allerdings nicht ohne zuvor von Robert unsanft getreten worden
zu sein. Irritiert schaute Osman in die Runde und stieß dabei auf zwei
verständnislos dreinblickende Augenpaare.
    »Ich weiß, was Ihr denkt«, sagte
Osman sich verteidigend dem Mönch zugewandt, »was für eine herzlose Kreatur das
ist, einzuschlafen bei derlei tragischen Angelegenheiten, doch bedenkt, dass
ich diese Geschichte schon viele Male gehört und auch einige Male meinen
Landsleuten übersetzt habe, vielleicht einmal zu oft, um noch gänzlich bei der
Sache zu sein. Überdenkt zudem die lange, anstrengende Reise bis zu Eurer
beschaulichen Stadt, die hinter uns liegt. Doch nun bin ich hellwach und ich
werde es bleiben, zumal irgendwann ich den Faden aufnehmen und die Geschichte
weiterspinnen werde, denn ab einem gewissen Punkt sind unser beider Leben eng
miteinander verwoben.«
    Und mit einem gereizten Blick in
Anbetracht der Ausführlichkeit und Länge, mit der sein Freund stets seine
Erlebnisse zu schildern pflegte, fügte er noch leise hinzu: » Der Tag wird
kommen!«
    »Nun, um Eure Frage zu
beantworten«, fuhr Robert fort, »zwischen zwanzig und dreißig mochten es sein,
die wir freigruben, doch die wenigsten von ihnen lebten noch. Einige, so sah
man es an ihren aufgerissenen Augen und Mündern, waren unter den Schneemassen
jämmerlich erstickt, anderen wiederum war die Gnade zuteil geworden, gleich
erschlagen worden zu sein. Nur eine Hand voll atmete noch, und auch von ihnen
starb in der Folge mindestens einer am Fieber – was für eine erbärmliche Bilanz
dies doch war. Und auch die Gruppe, die sich vom anderen Ende des Schneefeldes
an uns heranarbeitete, konnte leider nur mit einer ähnlich betrüblichen Anzahl
Geretteter aufwarten. Die restlichen drei- bis vierhundert Brüder und
Schwestern, die sich zum Zeitpunkt der Katastrophe auf jenem unglückseligen
Teil des Bergpfades befanden, sind in die Tiefe gerissen worden.
    Nachdem der Pfad von uns
notdürftig freigelegt wurde, konnte sich der Zug wieder vereinen. Während sich
ein Medicus um meine Hände kümmerte und ein anderer Mönch mich zum Dank für
meinen unermüdlichen Einsatz mit reichlich Speis und Trank versorgte,
offenbarte sich mir, wie nah Freud und Leid bisweilen beieinander liegen. Ich
sah Freudentränen im Gesicht derer, die ihre Freunde oder Verwandten bereits
unten in der Schlucht wähnten und nun, nachdem der Zug wieder vereint war, die
vermeintlich Toten unter den Lebenden entdeckten. Doch weit mehr zu Herzen
gingen mir die Tränen all derer, die noch Hoffnung hatten, ihre Liebsten unter
den Brüdern und Schwestern jenseits der Schneebarriere zu finden und nun bitter
enttäuscht wurden.
    Noch am späten Abend desselben
Tages erreichten wir den Mont-Cenis-Pass und alle hofften, dass es leichter für
uns würde, nun, da es wieder bergab ging, doch weit gefehlt. Wir alle waren
ausgehungert und entkräftet und es sollte noch eine weitere Woche vergehen, bis
wir wieder in wirtlichere Gefilde gelangten. Unsere Vorräte waren so gut wie
aufgebraucht, sodass schließlich nur die Stärksten unter uns, und ich meine
nicht nur die körperlich Robustesten, sondern auch die Willensstärksten,
endlich wieder Sträucher und Wiesen zu

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