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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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Gesicht bekamen. Die Tage bis dahin
waren jedoch die Hölle auf Erden. Jedes Mal, wenn ich mich damals umschaute,
sah ich kleine Körper kraftlos am Wegesrand in sich zusammensinken und andere,
die sich teilnahmslos an ihnen vorbeischleppten, torkelnd, hinkend, kaum noch
Herr ihrer Sinne. Und selbst ich, der ich geschworen hatte, Leben zu retten, wo
es nur ginge, hatte nicht mehr die Kraft, einem zu Boden gesunkenen Bruder vor
mir wieder auf die Beine zu helfen. Auch ich schlich vorbei, zutiefst beschämt
zwar und doch tatenlos. Um mein geplagtes Gewissen zu beruhigen, redete ich mir
unentwegt ein, dass ihnen ohnehin nicht mehr zu helfen sei.
    Nun also war auch ich ganz unten
angelangt.«
    Roberts Stimme setzte aus, es
folgte eine bedrückende Stille. Schließlich brach der Mönch das Schweigen.
    »Quält Euch nicht zu sehr mit
Vorwürfen, Ihr habt mehr getan als die meisten anderen, zumal, wenn man Euer
kindliches Alter damals bedenkt. Erzählt, wie es weiterging, nachdem ihr die
Alpen überwunden habt!«
    »Mitte August ließen wir endlich
die Berge hinter uns, und bei Gott, keinen Tag länger hätte der Marsch noch
andauern dürfen. Ich war völlig am Ende, jeder einzelne Rippenknochen hob sich
deutlich ab, und ich meinte selbst mein Herz unter der Haut schlagen zu sehen,
als ich durch mein zerschlissenes Wams hindurch an mir heruntersah. Jetzt, da
die Natur uns wieder mit Essbarem versorgte, verteilte sich der Zug erst einmal
in alle Himmelsrichtungen. Jeder suchte sich einen Strauch mit Beeren oder grub
Wurzeln aus, ich sah gar einen Knaben, der eine Maus bei lebendigem Leib
verschlang. Bis zum Abend war jeder mit sich selbst beschäftigt und schlug sich
seinen Magen so gut es ging voll. Erst bei Anbruch der Nacht sammelten wir uns
zum gemeinsamen Gebet. Und zum ersten Mal seit dem Lawinenunglück zeigte sich
Nikolaus wieder seiner Gefolgschaft, huldvoll dankte er dem Allmächtigen für
seinen Beistand bei der Überwindung der Alpen. Ganz nahe bei ihm stand ich, und
im Schein der Fackeln konnte ich erkennen, wie rosig und gut genährt doch sein
Antlitz und das seiner engsten Vertrauten war, ihnen jedenfalls schien es an
nichts gemangelt zu haben. Und mein Blick schweifte weiter, durch die Reihen
derer, die es geschafft hatten – rasch schien es mir, dass etwas anders war als
bei unserer letzten gemeinsamen Zusammenkunft in den Alpen, doch was nur konnte
es sein? Einige Momente rätselte ich, doch dann traf mich die Erkenntnis wie
ein Blitz, und augenblicklich schien mir das Herz zu gefrieren, denn saßen
damals noch viele Kinder in unserer Mitte, die deutlich jünger waren als ich,
so schien nun ich der Jüngste zu sein. So weit ich auch blickte, ich konnte
keines jener kleinen, unbekümmerten Gesichter mehr entdecken. Und vergoss ich auch
bislang, trotz all der erlebten Tragik, auf unserer bereits nahezu drei Monate
andauernden Reise nicht eine Träne, so weinte ich in diesem Moment umso
jämmerlicher, da mir die grausame Wahrheit bewusst wurde. Ich dachte an die
vielen Mädchen und Knaben, denen ich mit meinen stolzen zwölf Lenzen zur
Vaterfigur wurde, und im gleichen Atemzug entsann ich mich der winzigen dunklen
Punkte auf weißem Grund, die unser Zug hinter sich ließ. Die Kinder waren es,
die in der endlosen Wüste aus Schnee vollends entkräftet ihren sich
davonstehlenden Kameraden hinterherschauten. Sie gingen elendig zu Grunde,
während wir erbarmungslos weiterzogen. Und wieder beobachtete ich Nikolaus, wie
er mit Inbrunst die Güte Gottes pries, und ich sah seine feisten, rosigen
Wangen, während ein Benediktiner neben mir, hohlwangig und bleich wie der Tod,
zu ihm aufschaute. Ich sah den wohlgerundeten Leib unseres Führers und spürte
im gleichen Moment, dass einer meiner Zähne wackelte. Die Trauer über die
vielen Kinder, die in den Alpen ihr Leben ließen, wich einer unsäglichen Wut
auf Nikolaus und seine heuchlerische Sippschaft. Wie durch einen dichten
Schleier drangen nur noch Wortfetzen zu mir durch und urplötzlich war’s
endgültig vorbei mit meiner Beherrschtheit. Lauthals begann ich, Nikolaus
anzuklagen, und es war nur eine Frage der Zeit, bis seine Wachhunde auf mich
aufmerksam würden, da brach unvermittelt die Nacht über mich herein.

     

     

Eckhardt
    Als ich meine
Augen wieder aufschlug, stand bereits die Sonne am Himmel. Der hohlwangige
Benediktiner saß neben mir und kaute genüsslich an einer Wurzel.
    Als er bemerkte, dass ich meine
Augen öffnete, reichte er mir mit einem

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