Das Geheimnis des Goldmachers
mich
überwältigten, als ich das unschuldige Geschöpf tot in den Armen hielt, habe
ich Euch ja bereits geschildert«, sagte Robert und nickte dem Mönch zu.
»Nachdem der erste Zorn verraucht und mein Geist wieder klarer wurde, bewegte
mich jedoch ein anderer Gedanke. Noch konnte und wollte ich Gott nicht
abschwören, also nahm ich die Tragik des Ereignisses als ein Zeichen auf, bei
der Gemeinschaft zu verbleiben, um nach besten Kräften Unheil von ihr
abzuwenden. Bei dem Mädchen hatte ich kläglich versagt, doch hoffte ich auf
weitere Gelegenheiten, Leben zu retten, wie auch immer dies zu bewerkstelligen
sein sollte. Das Mädchen im Übrigen ist der Grund, warum es mich zurück nach Cölln
treibt, lieber Mönch. Dem Vater, sollte er noch auf Erden weilen, will ich
berichten, auf dass er endlich Gewissheit habe, so schwer sie auch zu ertragen
sein mag. Das Medaillon der kleinen Luise trage ich seither um den Hals, damit
es mich allzeit an mein Gelübde erinnert.«
»Doch nicht nur wegen ihres Vaters
zieht es dich nach Cölln, lieber Freund«, wurde Roberts Rede frech von Osman
unterbrochen, »erzähl Bruder Albert doch von Augusta, deiner Herzallerliebsten.
Heul auch ihm die Ohren voll von jenem Weibsbild, dem du zwar nur wenige Tage
nahe warst, aber nunmehr schon ein halbes Leben nachtrauerst.«
Robert lief rot an, ob aus Zorn
oder Scham, wusste nur er selbst.
»Ich denke, es gehört sich nicht,
einen Mönch mit Liebesdingen zu behelligen, außerdem ist Augusta, was den
Kreuzzug betrifft, nicht von Interesse.«
»Ihr täuscht Euch in uns Mönchen,
denn auch Ordensbrüdern sind die Geheimnisse der Liebe nicht fremd. Zwar
verwehren uns die strengen Regeln des Zölibats eigene Erfahrungen, umso mehr
jedoch sind wir als Seelsorger den armen Sündern in unserer Gemeinde
verpflichtet. Wenn Eure Liebe zu Augusta allerdings zu privat ist, um hier und
heute erörtert zu werden und außerdem nicht von Belang für den weiteren
Fortgang Eures Berichtes, so soll sie mich auch nicht interessieren«, sagte
Albert und nickte Robert aufmunternd zu.
»Nur so viel zu Augusta«, hob
Robert an, und ein grimmiger Blick Richtung Osman zeigte diesem deutlich, dass
er jetzt besser schweigen sollte, »ich sprach das erste Mal mit ihr, als ich
das tote Mädchen in meinen Armen hielt. Offensichtlich kannte sie Luise, denn
ständig stammelte sie ihren Namen, schreckensbleich und mit Tränen in ihren
hübschen Augen. Von ihr erfuhr ich auch den Namen des Vaters.
Seit diesem Unglück waren Augusta
und ich stets beisammen. Uns beiden hatte das Schicksal den liebsten Begleiter
genommen, sie beklagte den Verlust von Luise und mir war nunmehr Nikolaus
ferner, als es ein Toter je hätte sein können. So also wanderten wir fortan
Seite an Seite den zusehends beschwerlicher werdenden Weg gemeinsam. Bereits
nach zwei Tagen mussten wir die mitgeführten Vorräte anbrechen, denn ringsumher
gab es nur noch Steine und Geröll, keine Früchte oder Wurzeln, kein Wild,
geschweige denn Wasser war in Sicht. Das Gejammer und Gewimmer der Kleinsten
unter uns wurde stetig lauter, doch nun, eingedenk des langen vor uns liegenden
Weges, war keiner mehr bereit, auf seinen Teil zu Gunsten der Schwächeren zu
verzichten. Plötzlich hieß es, dass ihnen der Weg zurück freigestanden habe und
Nikolaus am Genfer See sogar vor den Beschwernissen einer Alpenüberquerung
gewarnt hätte. Nun, ich habe jede seiner Reden aufmerksam verfolgt, wenn
inzwischen auch aus der Ferne, doch Derartiges ist nie über seine Lippen
gekommen, ganz sicher nicht.
Zerrte bislang nur der Hunger an
unseren Kräften, so wurde nun der Durst, weitaus quälender noch, unser
ständiger Begleiter. Hinzu kam die Kälte, stetig beißender und bedrohlicher,
und nichts ließ sich gegen sie unternehmen, denn weit und breit gab es schon lange
kein Holz mehr für ein Feuer. So drückten wir uns nachts eng aneinander, am
Tage jedoch ging jeder für sich allein, so rasch ihn seine Füße trugen, wodurch
unser Zug immer weiter auseinandergerissen wurde. Die Schwächsten blieben
zurück und diejenigen unter ihnen, die nicht mehr die Kraft oder den Willen zu
einer Umkehr hatten, gingen jämmerlich zugrunde.
Fünf Tage und Nächte
wich ich nicht von Augustas Seite.
Fünf Tage, an denen ich die
Gespräche mit ihr und fünf Nächte, in denen ich ihre Nähe genoss, keusch zwar,
denn immerhin waren wir beide erst zwölf Jahre alt, aber dennoch inniglich und
intensiv. Wir liebten uns, trotz unseres unreifen
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