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Das Geheimnis des Goldmachers

Das Geheimnis des Goldmachers

Titel: Das Geheimnis des Goldmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hereld
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Zug,
obwohl inzwischen bereits beträchtlich dezimiert, kein Ende zu nehmen schien.

     
    *

     
    An einem
wunderschönen Tage, die Sonne schien von einem strahlendblauen Himmel auf uns
herab, schaute ich wieder einmal von der Spitze des Zuges aus zurück auf das
Elend hinter mir. Ich stand auf einer Anhöhe und hatte beste Sicht, nahezu die
eines Feldherrn in der Schlacht, als ich Zeuge werden musste, wie auf einen
Schlag Hunderte, vermutlich gar Tausende aus unserer Gemeinschaft ein jähes
Ende fanden.«
    Robert hielt kurz inne.
Er schluckte, offensichtlich übermannt von den grausigen Erinnerungen an jenen
Tag in den Alpen. Schließlich, nach einer längeren Pause und einem kräftigen
Schluck Wein, fuhr er mit ernster Stimme fort.
    »Unweit des Passes
trottete der Rest des Zuges über eine Länge von einigen Meilen an den Hängen
eines Berges entlang. Der Pfad war so schmal, dass höchsten zwei Wanderer
nebeneinander gehen konnten, links ragten steile Felswände in die Höhe, rechts
gähnte ein Schwindel erregender Abgrund, sodass einige Kameraden, denen die
Tiefe nicht geheuer war, sich beim Gehen ängstlich ans Gefels zu ihrer Linken
krallten. Es ging nur sehr langsam voran, und ich gab bereits die Hoffnung auf,
heuer endlich den Pass zu erreichen, als ein fernes Grollen, leise erst, dann
stetig an Stärke zunehmend bis hin zu einem ohrenbetäubenden Donnern, meine
Aufmerksamkeit auf den Gipfel des Berges lenkte. Der Anblick, der sich mir bot,
ließ mein Herz erstarren. Gleich den tosenden Fluten eines Wasserfalles drängte
der Schnee von der Bergspitze abwärts, mit einer Kraft, wie ich sie nie zuvor
auch nur im Ansatz erlebt hatte. Der Boden unter meinen Füßen begann zu beben,
Leute neben mir, keine Elle entfernt, schrien sich die Seele aus dem Leibe,
doch ich sah nur ihre aufgerissenen Münder, hören konnte ich sie wegen des
unbeschreiblich lauten Dröhnens nicht.
    Schon hatten die weißen
Massen den Zug erreicht. Nicht uns an der Spitze, wir blieben verschont, hinter
uns jedoch wurden die armen Brüder und Schwestern von den Berghängen gespült
wie Blattläuse vom Laub bei einem Platzregen. Tief fielen sie die Schlucht
hinab ins Tal, begleitet von Unmengen verkrustetem Schnee, noch vor wenigen
Momenten heiß herbei ersehnt, als mir der Durst fast den Verstand raubte, doch
beileibe nicht so, nicht auf diese aberwitzige, perfide Art und Weise.
    Erst als sich die Wehen feinsten
Schneestaubes gelegt hatten, zeigte sich das wahre Ausmaß der Katastrophe. Auf
einer Länge von mehreren hundert Fuß gab es keinen Pfad mehr, sondern nur noch
einen Schneehang, der unseren Zug nahezu mittig zerteilte und geradewegs in die
Schlucht mündete. Ich wagte nicht daran zu denken, wie viele von unseren
Brüdern und Schwestern hier wohl den Tod gefunden haben mochten. Laut klagend
fiel ich auf die Knie und erneut zweifelte ich an Gott, denn ich vermochte
beileibe keinen Sinn in diesem Unglück zu erkennen.
    Von beiden Seiten nun strömten die
Gefährten auf die Schneedecke zu, doch schnell musste ich zu meiner
Enttäuschung erkennen, dass nicht der Wunsch, verschüttete Kameraden zu
befreien, der Grund ihrer Hast war, sondern einzig das Verlangen nach Wasser.
Nachdem sie sich gierig den Schnee in die vertrockneten Münder gestopft hatten,
wurden ihre Bewegungen rasch träge und kraftlos, matt ließen sie sich auf den
Boden sinken und genossen das eiskalte Nass, wie es in ihre Eingeweide strömte.
Die wenigen von uns, die tatsächlich gerannt kamen, um zu helfen, mussten gar
über die schlaffen Körper der Schneefresser hinwegsteigen, die steile Schlucht
dicht im Rücken. Während ich mit nackten Fingern den harten Schnee wegkratzte,
bis mir die Hände taub wurden, dachte ich mit Wehmut an die hehren Ideale von
Kameradschaft und Brüderlichkeit, die uns alle zu Beginn erfüllten – nichts
davon war geblieben. Die meisten beseelte nur noch der Gedanke, die eigene Haut
zu retten, sie waren auf die unterste Stufe der menschlichen Natur
zurückgefallen, dem gemeinen Selbsterhaltungstrieb. Doch wer sie zu verurteilen
gedenkt, der sollte nicht außer Acht lassen, dass nahezu alle noch Kinder
waren, wer also mag sie schon ernsthaft verdammen?
    Die Nacht hindurch bis in den
frühen Morgen war eine Hand voll von uns damit beschäftigt, den Schnee
wegzuscharren. Mehr hätten auch gar nicht helfen können, da nur zwei bis drei
nebeneinander stehen und graben konnten. Ein jeder gab sein Bestes, bis ihn die
Kraft verließ, dann wurde er

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