Das Geheimnis des Goldmachers
er sich bei seinem Anblick und verfiel so, wie bei
Kopfmenschen üblich, umso häufiger dem Trübsal. Er selbst, doch eher ein Mann
der Tat, sah in jeder Lage immer noch einen Hoffnungsschimmer, so auch jetzt.
»Dann lass uns halt losziehen und eine Schwachstelle in der Stadtmauer
suchen – schließlich wurde sie errichtet, um Schutz nach außen zu gewähren und
nicht, um die Einwohner wie in einem Kerker zu halten.«
Roberts Zuversicht war nichts entgegenzusetzen, und so schöpfte Osman
wieder frischen Mut.
Erst als sie das dichte Buschwerk verließen, bemerkten sie die starken
Winde, die plötzlich durch die Stadt tosten. Es waren die Vorboten eines
Sturmes, der Hildesheim noch in dieser Nacht heimsuchen sollte, ein Sturm von
solch unbändiger Kraft, dass selbst die Ältesten sich im Nachhinein nicht
erinnern konnten, je ein derartiges Unwetter erlebt zu haben.
*
»Ja Höllenbrut, was für eine Sauerei!«
Konrad von Stenweden traute seinen Augen nicht. Die seinen Männern in den
Wachraum der Torwächter gefolgten Dominikaner reagierten indessen höchst
unterschiedlich auf das Bild, das sich ihnen bot. Einige bekreuzigten sich,
andere, vermutlich Novizen, bedeckten schamhaft ihre Augen, es gab aber auch
welche, die sich durchaus interessiert und ganz offensichtlich belustigt
zeigten.
»Kein Wunder, dass das Tor mitten in der Nacht sperrangelweit offen
steht, wenn ihr nichts Besseres zu tun habt, als hier eine Orgie zu feiern!«
Der Hauptmann der Stadtwache musste sich beherrschen, um nicht vollends die
Kontrolle über seine Stimme zu verlieren. Währenddessen versuchten die
Torwächter verzweifelt, in dem Durcheinander ihre Beinkleider zu finden. Einer
der beiden wurde schließlich fündig, ein Zipfel lugte unter der Roten Marie
hervor.
»Heb gefälligst deinen fetten Arsch, dummes Weib!«, zischte er ihr zu.
Marie wiederum schien
es nicht im Geringsten zu beschämen, von einem Dutzend Männern begafft zu
werden, ganz im Gegenteil, sie räkelte sich, splitternackt, wie sie war, lasziv
von der einen zur anderen Seite und ließ wirklich keinen Flecken ihres Leibes
unergründet. Bestimmt keine Schönheit und trotz ihrer Jugend bereits nahezu
zahnlos, verfügte ihr Körper in übermäßiger Fülle über sämtliche Vorzüge, die
Männerherzen höher schlagen ließen und kaum ein Hildesheimer im gefestigten
Mannesalter hatte nicht schon einmal das eine oder andere Silberstück springen
lassen, um von ihren Früchten zu kosten. Der Prior schließlich war es, der
Maries kostenloser Zurschaustellung ein jähes Ende bereitete, indem er ihr den
Mantel eines Stadtwächters überwarf. Mit schmollendem Mund wickelte sie sich
nur widerwillig darin ein, denn ganz offenbar genoss sie ihre Vorstellung.
»Elendiges
Hurenstück, mach gefälligst, dass du Land gewinnst, sonst werde ich persönlich
dafür Sorge tragen, dass sich der Vogt deiner annimmt!«, sagte der Prior mit
einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. Während die Rote Marie eilends
ihre Sachen zusammenraffte, wandte sich der Hauptmann seinen Untergebenen zu.
»Nun
zu euch, ihr erbärmlichen Nichtsnutze, sagt noch rasch, was es zu feiern gab,
bevor ich euch am Markt aufknüpfen lasse!«
Während
der eine noch immer verzweifelt seine Hose suchte, antwortete der andere im
unterwürfigsten Ton und ohne seinem Obersten dabei geradeheraus ins Gesicht zu
schauen: »Ach wisst Ihr, Herr Hauptmann, Antons Frau, die Lisbeth, hat ihm
gerade eben erst einen Sohn geschenkt. Ich wollte ihm halt ’ne Freude machen,
er wusste nicht mal was davon. Ich bitte Euch, wenn schon, straft mich so hart,
doch lasst der jungen Mutter ihren Mann!«
»Eine
seltsame Art und Weise, die Niederkunft seiner Frau im Schoße einer Hure zu
feiern«, warf der Prior unversöhnlich ein.
Noch
immer suchte der blutjunge Anton zitternd seine Hose, da wurde es dem Hauptmann
zu viel.
»Dann
wirf dir halt einen Mantel um, verdammter Saulump, und melde dich umgehend in
der Kommandantur. Und nimm deinen schäbigen Freund gleich mit. Ich werde mir
was Feines für euch ausdenken!«, schnauzte er seine Soldaten an.
»Ihr
lasst sie einfach gehen?«, fragte der Prior fassungslos. »Auf der Stelle
richten solltet Ihr sie!«
»Und
zwei Frauen den Mann und ihren Kindern den Vater nehmen? Nein, Herr Prior,
macht Ihr Euer Geschäft und lasst mich meines machen. Und seid unbesorgt, die
Strafe wird ihnen auf ewig im Gedächtnis haften!«
Der
Prior schüttelte verärgert seinen Kopf. Jede Falte und
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