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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Blick auf das neue Werk. Er nickte, rief nach Salman, gab ihm die Adresse des Gelehrten und nannte ihm die Summe, die der Kunde zahlen sollte. Der Gelehrte wohnte im nahe gelegenen Salihije-Viertel. Er war begeistert und gab Salman eine Lira Belohnung. Salman brachte dem Meister das Geld und sagte ihm mit der Unschuld eines Lammes, er habe eine Lira bekommen, ob er sie nicht mit den Mitarbeitern teilen sollte. Hamid Farsi war sichtlich beeindruckt.
    »Und wie willst du das gerecht aufteilen?«, fragte er belustigt. Er ahnte nicht, dass Salman unterwegs schon eine Antwort vorbereitet hatte. Er betrachtete die Lira als notwendige Investition für mehr Sympathie.
    »Am besten kaufe ich für eine Lira Darjeeling-Tee. Diese Teesorte schmeckt blumig und duftet so, als hätten Sie mit dem Schluck einen Garten voller Blüten im Mund«, antwortete Salman. Hamid war in diesem Augenblick zum ersten Mal begeistert von dem mageren Jungen.
    Auch die Mitarbeiter waren angenehm überrascht. Sie tranken gerne den geschenkten Darjeeling, wollten aber anders als Meister Hamid in Zukunft bei ihrem kräftigen Ceylon bleiben.
    »Blumig ja, aber er verfliegt zu schnell«, sagte Samad.
    »Und ist zu blass fürs Auge«, witzelte Radi. »Er erinnert mich an den Fencheltee meiner Großmutter, den sie für ihren kranken Magen kochte.«
    Salman verfluchte leise ihre Mütter, die ein derart undankbares Volk in die Welt gesetzt hatten. Karam lachte nur. »Du hast auf sehr kluge Weise Sympathie beim Meister erweckt, das ist wichtiger als alle Kommentare der Mitarbeiter«, sagte er.
    Und in der Tat, zwei Tage später rief ihn Hamid zu sich. »Du bist nun seit einem Monat bei mir und machst gute Fortschritte. Ab nächster Woche gehst du jeden Tag um elf Uhr zu mir nach Hause, holst das Mittagessen und übergibst meiner Frau die leere Matbakia vom Vortag. Auch bringst du ihr alle Bestellungen, die ich dir auftrage. Der Laufbursche vor dir hat eineinviertel Stunden für die Strecke gebraucht. Er war ein lahmer Kerl und ließ sich von jedem Straßenverkäufer und Taschenspieler ablenken. Du schaffst das sicher in der Hälfte der Zeit. Punkt zwölf aufjeden Fall muss das Essen hier auf dem Tisch stehen, auch wenn Chaos in der Stadt herrscht«, sagte der Meister, der nebenbei mit einem scharfen Messer die Kanten einer Rohrfeder zurechtschnitt.
    »Verdirb dir nicht das Leben und geh langsam«, sagte ihm der Geselle Radi, der gerade Tinte anrührte. Und Karam flüsterte ihm beim Mittagessen zu: »Er soll eine hübsche Frau haben, lass deine Augen an ihren Kurven weiden.« Er lachte so laut über seinen Einfall, dass Salman ihn verärgert unter dem Tisch ans Schienbein trat. »Was denkst du von mir?«, brummte er.
    »Was soll ich von dir denken«, antwortete Karam und lachte nochlauter. »Ein Mann mit hungriger Schlange zwischen den Beinen, und gegenüber wandert ein kleines fettes Häschen.«
    »Du bist heute unerträglich«, sagte Salman und stürmte aus dem Café.
    Erst draußen beruhigte er sich. Er ging zum Eisverkäufer und kaufte sich sein Lieblingseis, Damaszener Maulbeere, kühlte damit seine brodelnde Seele und versüßte den bitteren Geschmack in seinem Mund. Langsam machte er sich auf den Weg ins Atelier, und als er am Café vorbeiging, rief Karam von innen: »Bis Freitag«, da war Salman versöhnt und erwiderte: »Bis Freitag.«
    Am nächsten Tag zahlte Hamid Farsi den alten Mann aus, der täglich das warme Gericht gebracht hatte. Im Anhänger seines Fahrrads standen bis zu fünfzig Henkelmänner für die Handwerker und Händler der Gegend. Der Mann konnte nicht lesen, deshalb trugen die Gefäße keine Etiketten mit Namen und Adressen. Aber er verwechselte nicht ein einziges Mal Kunden oder Henkelmänner. Nun musste Salman diese Aufgabe übernehmen.
    »Aber immer wenn Sie mich brauchen, bin ich für Sie da«, sagte der alte Mann höflich, verbeugte sich und ging.
    »Ein anständiger Mann«, meinte Hamid. Er hatte ihn immer beauftragt, wenn er keine Laufburschen hatte oder ihnen misstraute. Samad witzelte hinten in der Werkstatt über den Geiz seines Meisters. Er selbst aber aß am Tag nur trockene Brote mit Oliven oder Schafkäse und ging höchstens einmal die Woche zu Karam und nahm ein warmes Gericht zu sich. »Unser Meister ekelt sich vor den Garküchen und Restaurants«, erwiderte Said. Samad lächelte, Radi, der das hörte, schüttelte den Kopf: »Er ist geizig«, flüsterte er und rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander, was nicht nur in

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