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Das Geheimnis Des Kalligraphen

Das Geheimnis Des Kalligraphen

Titel: Das Geheimnis Des Kalligraphen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Kurven, sondern war eher mager.
    »Ach, du bist der Junge, der ab heute das Essen holt«, sagte sie freundlich und übergab ihm die dreistöckige Matbakia. Er übergab ihr das gewaschene Gefäß vom Vortag.
    »Danke«, sagte sie und schloss die Tür, noch bevor er »Guten Tag« sagen konnte.
    Unterwegs versuchte er sich zu beruhigen. Weil er doch ins Schwitzen gekommen war, lief er im Schatten der Gassen zurück ins Atelier. Als er dort ankam, war es kurz vor zwölf. Hamid Farsi schaute ihn mitleidvoll an. »Du musst nicht rennen. Du hast ja gesehen, was mir passiert ist, und mir ist lieber, du kommst nicht ins Schwitzen, bekommst keinen Sonnenstich, und das Essen kommt heil hier an.« Salat, Lammfleisch in Joghurtsoße und Reis. Alles sah in den kleinen Töpfchen appetitlich aus und duftete lecker. Salman verstand, warum sein Meister das Essen im Restaurant verschmähte.
    Bei Karam gab es an diesem Tag mit Hackfleisch gefüllte Auberginen, eigentlich ein schönes Gericht, wenn Salmans Mutter es kochte, aber unter Samihs Händen war es zerkocht und schmeckte bitter wie seine Seele.
    »Und?«, wollte Karam wissen, als Salman zu Ende gegessen hatte und mit ihm einen Tee trank. »Hast du dich verliebt?«
    Salman beunruhigte die Frage.
    »Nein, aber sollte es passieren«, sagte er, »so werde ich es dir natürlich sofort erzählen.«
     
    Am nächsten Tag brachte Salman bei der Übergabe des Mittagessens seine Begrüßung an, noch bevor die Frau die Tür ganz geöffnet hatte: »Hallo, guten Tag, Madame«, sagte er. Sie lächelte freundlich und übergab ihm wie am Vortag die Matbakia und dazu eine Tüte mit Aprikosen vom Cousin ihrer Mutter, erklärte die Frau des Meisters.
    Fleischpastete, gebackene Kartoffeln und Salat aß Hamid an diesem Tag. Bei Karam gab es Bamya , Okras, in Tomatensoße und Reis. Salman konnte die schleimigen Okras nie leiden. Er nahm sich nur Schafkäse, Brot und ein paar Oliven.
    Als er ins Atelier zurückkehrte, duftete der ganze Raum bis hinten in die Werkstatt nach Aprikosen. Und seit dem Tag war dieser Duft für Salman mit der schönen Frau des Kalligraphen verbunden.
     
    Mit der Zeit wurde das Verhältnis von Karam zu Salman noch herzlicher und großzügiger. Nun weinte sich der Kaffeehausbesitzer bei Salman aus, weil der Friseur Badri trotz seiner Muskeln mimosenhafter als ein Schulmädchen war. Natürlich hatte Karam seinem Geliebten nicht verraten, dass Salman schon lange von ihrer Liebe wusste, »denn dann wäre er sofort weg. Er hat fürchterliche Angst vor seinen Leuten und geniert sich seiner Liebe zu mir.«
    »Welche Leute?«, fragte Salman. Karam winkte ab. »Das ist nichts für dich. Sie sind sehr religiös, und Männerliebe ist für sie die größte Sünde«, fügte er mit verzweifelter Stimme hinzu.
    Badri, normalerweise verschlossen und finster, ging nur aus sich heraus, wenn er seine religiösen Visionen erzählte. Da gingen Menschen in Flammen auf, wurden in hässliche Tiere verwandelt oder bekamen zwei Meter lange feurige Zungen, weil sie in Sünde lebten, während brave Gläubige über Nacht von Engeln nach Mekka getragen und nach Beendigung ihres Gebets zurückgeflogen wurden. Alles Geschichten, die Salman so oder so ähnlich bereits in der Grundschule über heilige und sündige Christen gehört hatte. Geglaubt hatte er nie daran.
    Mit Tränen in den Augen berichtete Badri von amerikanischen und europäischen Berühmtheiten – Erfindern, Schauspielern, Generälen und Philosophen –, die alle heimlich dem Islam beigetreten waren, weil sie in der Nacht von einer arabischen Stimme aufgefordert wurden, zur einzig wahren Religion überzutreten. »Warum sagen sie dann nicht laut, dass sie Muslime sind?«, fragte Salman genervt, weil auch der Pfarrer im katholischen Religionsunterricht von solchen himmlischen Stimmen berichtet hatte.
    »Weil sie wichtige Missionen erfüllen müssen an den Ungläubigen«, antwortete Badri ungerührt, als hätte er gerade mit den hohen Persönlichkeiten telefoniert.
    Wenn Badri erzählte, brummte Salman nach einer Weile der Kopf.
    Das krause Zeug, das er einem auftischte, war ungenießbar. Von Sarah hatte Salman die Weisheit gehört, dass man manchmal Stunden brauche, um den Müll von Nachbarn und Verwandten aus demKopf zu kriegen. Für Badris Mischung aus Naivität und Fanatismus brauchte man Tage.
    Eines Nachts kam Badri mit einem Begleiter in Karams Haus. Salman hörte die Gäste, aber er hatte an diesem Abend viel zu üben und keine Lust auf

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