Das Geheimnis Des Kalligraphen
der Werkstatt auf, dass er, vom Café gewohnt, immer gegen den Lärm anzukämpfen, viel zu laut sprach. Der Chef der Werkstatt, Samad, lachte nur, doch die drei Gesellen Mahmud, Radi und Said und deren Helfer Basem und Ali bemühten sich, Salman auf seine Lautstärke aufmerksam zu machen, indem sie den Zeigefinger auf die Lippen legten.
Abgesehen von Mahmud, der grob im Umgang war, gab keiner den anderen Kopfnüsse, keiner benutzte unanständige Wörter. Als Salman einmal beim Erzählen das Wort »Arsch« in den Mund nahm, mahnte ihn Samad, solche Wörter draußen auf der Gasse zu lassen und erst wieder einzusammeln und zu gebrauchen, wenn er das Atelier verlassen habe. Salman gefiel das, und er hielt von da an kurz vor dem Einganginne und sprach zu seinen unanständigen Wörtern, sie müssten draußen bleiben, aber er verspreche ihnen, sie nach der Arbeit wieder abzuholen. Und als hätten die Wörter das Gewicht von Blei, ging er erleichtert ins Atelier.
Hamid Farsi beobachtete ihn eines Morgens bei dieser Schimpfworterleichterung, und als Salman ihm erklärte, was er gerade gemurmelt hatte, lächelte Farsi. Allerdings war das Lächeln so kalt wie das eines Herrschers. Und er war der absolute Herrscher. Niemand durfte Späße mit ihm treiben oder ihn gar, ins Gespräch vertieft, anfassen, wie das im Café bei Karam üblich war. Farsi saß immer im vorderen Teil des Ateliers an seinem eleganten Tisch aus Walnussholz. Und alle sprachen respektvoll, ja ehrfürchtig mit ihm, sogar Samad, der älter als der Meister war und die Werkstatt leitete. Allen Mitarbeitern war es untersagt, sich vorne im Atelier aufzuhalten, es sei denn, der Meister hatte sie gerufen. Hinten in der Werkstatt herrschte Samad, die rechte Hand des Meisters, ein vierzigjähriger Mann mit schönem Gesicht und fröhlichem Gemüt. Er leitete und überwachte gewissenhaft die Arbeit der drei Gesellen, zwei Helfer und dem Laufburschen. Alles hatte seinen Platz und keiner schien einem anderen etwas zu neiden. Alle hatten ihre festen Gehälter, die an den Jahren ihrer Erfahrung bemessen waren. Wer mehr verdiente, konnte auch mehr und bekam entsprechend schwierigere Aufgaben zugeteilt.
Salmans Gehalt betrug die Hälfte von dem, was er im Café verdient hatte. Karam tröstete ihn, dass alle Meister erst einmal als Laufburschen angefangen hätten.
Jeden Tag schlenderte Salman in der Mittagspause zu Karam. Dort aß er eine Kleinigkeit, trank einen Tee, alles kostenlos, und kehrte dann ins Atelier zurück. Samih und Darwisch waren wie verwandelt, freundlich und zuvorkommend verwöhnten sie ihn. »Sei vorsichtig«, sagte Karam, »erzähl ihnen nichts von deiner Arbeit oder vom Meister. Und kein Wort über dein Zimmer in meinem Haus. Beide sind dumm. Sie verkaufen ihre Mutter für ein Bakschisch.«
Salman fühlte sich ertappt. Beinahe hätte er mit Samih und Darwisch über seinen Meister Farsi gelästert, der so reich war und sichtrotzdem nichts gönnte. Er trank und rauchte nicht, spielte nie Backgammon, wettete nie und ging nie ins Café. Er ließ sich das Essen mittags von seiner Frau schicken und trank nur Kaffee und Tee, die er in der eigenen Werkstatt zubereiten ließ. Nur wenn wichtige Kunden kamen, ließ er von Karams Café Limonade oder Mokka holen.
Unter der Aufsicht der Gesellen lernte Salman bereitwillig und schnell. Hamid Farsi schien ihn nicht weiter zu beachten, nur wenn etwas vom Markt zu besorgen oder Kaffee und Tee zu kochen waren, rief er nach ihm. Das störte Salman wenig, da Hamid auch den anderen gegenüber kalt und desinteressiert zu sein schien, obwohl er genau wusste, was jeder von ihnen leistete. Er drängelte nie, aber er war gnadenlos in der Beurteilung der Qualität. Die Mitarbeiter zitterten vor der Abnahme, und wenn sie zur Zufriedenheit ablief, kamen sie erleichtert in die Werkstatt zurück. Begeisterung zeigte Hamid nie. Samad, der Chef der Werkstatt, tröstete den Gesellen Radi, als dieser einmal geknickt vom Meister kam und wie ein Sack Kartoffeln auf seinen Stuhl fiel. Er musste den Briefkopf für einen Gelehrten neu schreiben, weil der Meister die Harmonie der Schriftzeichen nicht ausgewogen genug fand.
»Auch wenn Gott etwas für ihn schreiben würde, würde unser Meister einen Makel daran finden«, sagte Samad und half dem Gesellen beim Entwurf eines neuen Schriftzugs und einer neuen Ordnung der Wörter, und Salman musste zugeben, dass die neue Kalligraphie viel schöner war. Hamid Farsi warf einen Tag später einen
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