Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Herren in unser Dorf verirrten, kamen sie immer aus St. Yves.«
»Das können dann aber nicht meine Verwandten gewesen sein. Die waren nämlich arme Fischer. Nur sagen Sie das nie meinen Eltern. Die halten sich für etwas Besseres, weil sie bereits vor achtzehnhundertsechzig nach Neuseeland kamen und es hier am schönen Ende der Welt zu etwas gebracht haben. Mein Vater hat in den Zeiten des Otago-Goldrauschs ein Riesenvermögen gemacht und seinen Traum verwirklicht, Architekt zu werden. Damit verdient er zwar weniger, als er gehofft hat, aber noch arbeitet sein Vermögen für ihn. Er hat es in ein paar Schiffe investiert, die Wolle und Fleisch nach England bringen. Meine Eltern gehören, wie man so schön sagt, zur besten Gesellschaft der Stadt. Meine Mutter, deren Vater noch ein einfacher Fischer war, glaubt inzwischen, sie wäre mit dem goldenen Löffel im Mund geboren.« Der junge Mann hielt inne und blickte sie flehend an. »Bitte, nehmen Sie mein Angebot an. Ich bringe es nicht über mich, Sie Ihrem Schicksal zu überlassen.«
»Und wenn mich Ihre Mama Maata nicht will?«
»Heißt das, Sie kommen mit?« Jetzt leuchteten seine Augen vor Freude, wie Selma gerührt feststellte.
»Ich vertraue mich Ihnen an, Mister Wayne.«
»Damon, nennen Sie mich Damon.«
»Ich vertraue mich Ihnen an, Damon, und wenn Mama Maata mich ablehnt, dann muss ich mir woanders eine Stellung suchen. Hauptsache, ich bin weit genug weg und kann ein neues Leben anfangen.« Wieder drängte sich ihr schmerzlich der Gedanke auf, dass sie Will für immer verloren hatte.
»Wer ist eigentlich Mama Maata?«, fragte sie hastig, um sich von ihrem Kummer abzulenken.
»Mama Maata ist eine Maori, die von Anfang an für meine Eltern gearbeitet hat und vor der sogar mein Vater kuscht.«
Draußen vom Flur drang plötzlich Lärm, Stimmen und schwere Schritte. Selma zuckte zusammen und starrte erschrocken zur Tür.
»Jetzt kommt er und holt mich. Er holt mich«, stammelte sie.
Damon nahm sie behutsam in den Arm. »Ruhig, ganz ruhig. Lassen Sie ihn nur kommen. Ich beschütze Sie«, sprach er tröstend auf sie ein.
Doch die Schritte und die lauten Stimmen verstummten genauso abrupt, wie sie erklungen waren.
Damon hielt Selma immer noch fest im Arm. Zögerlich ließ er sie los.
»Darf ich Ihnen mein Bett anbieten? Ich gehe auf das Sofa.«
Sie wollte protestieren, doch langsam konnte sie nicht mehr verdrängen, dass eine bleierne Müdigkeit von ihrem Körper Besitz ergriff.
»Gut, Damon, ich nehme es an. Eigentlich missfällt es mir, dass Sie meinetwegen auf Ihr Bett verzichten, aber nach den drei Monaten in der schmalen harten Koje ...« Sie warf dem weichen Bett einen sehnsüchtigen Blick zu.
Damon bot ihr seinen Arm und führte sie dorthin. Selma setzte sich auf die Bettkante. Ihr war nicht wohl dabei, sich in ihrem Reisekleid und mit dem Schmutz der langen Fahrt auf der Haut in dieses saubere, frische Bett zu legen. Lieber würde sie erst einmal ein Bad nehmen, aber vor dem Fremden?
Als würde er ihre Gedanken lesen können, flüsterte er: »Dieses Zimmer ist das einzige mit einem eigenen Bad. Ich könnte mir vorstellen, dass Sie sich erst einmal frisch machen wollen. Sie finden Handtücher und Seife dort.« Damon deutete auf eine Tür, die von seinem Zimmer abging.
Selma rappelte sich mit letzter Kraft noch einmal von dem Bett auf und genoss den Luxus des eigenen Bades in vollen Zügen. Sie zog sich bis auf die nackte Haut aus und stieg in die Wanne. Wohlige Schauer liefen ihr über den Rücken, als ihr ganzer Körper von dem warmen Wasser umspielt wurde. Das tat unendlich gut. Sie konnte sich sogar noch dazu aufraffen, ihre Haare zu waschen, und fühlte sich danach wie neugeboren.
Hochzufrieden und nur in ein Handtuch gewickelt, kehrte sie in das Zimmer zurück. Damon blickte überrascht auf. Selma lief rot an.
»Entschuldigen Sie, dass ich ohne Kleid vor Ihnen stehe, aber ich würde das Reisekleid gern über Nacht zum Lüften aufhängen. Meine Garderobe zum Wechseln ist ja im Koffer bei meinem Schwager im Zimmer.«
»Und Sie wollen wirklich auf Ihre Sachen verzichten? Wenn Sie wollen, schleiche ich mich hin und hole den Koffer samt des Geldes.«
»Auf keinen Fall! Sie sollen sich meinetwegen nicht unnötig in Gefahr bringen. Und die Sachen würden mich nur an die Zeit mit Will erinnern und daran, dass er mich niemals wieder in die Arme nehmen wird ...« In ihren Augen schimmerte es feucht.
»Sie müssen ihn sehr geliebt haben«,
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