Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
flüsterte Damon gerührt.
»Ja, über alles«, übertrieb Selma. Dann schlüpfte sie schnell unter die Decke.
»Es ist mir ein wenig unangenehm, mich so ungeniert in Ihr Bett zu legen, aber ich bin doch so froh, dass ich endlich die Strapazen der Reise abwaschen konnte. Und ich kann das dumme Reisekleid einfach nicht mehr sehen.«
»Selma, ich will ehrlich zu Ihnen sein. Es irritiert mich ein wenig, mit einer so hübschen jungen Dame wie Ihnen in einem Zimmer zu schlafen, aber Sie können sicher sein: Ich weiß, wie man sich benimmt. Und was Ihre Garderobe angeht, so werde ich Ihnen morgen ein paar neue Kleider besorgen, damit Sie Ihr Reisekleid endgültig hinter sich lassen können ...«
Selma strahlte ihn voller Dankbarkeit an.
»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen das je danken kann. Sie sind ein Schatz!«, rutschte es ihr heraus. Dann merkte sie nur noch, wie ihr die Augen zufielen.
Damon betrachtete die schlafende Fremde noch eine ganze Weile. Sein Atem ging schnell, und sein Herz klopfte bei ihrem Anblick bis zum Hals. Er hatte es bereits bei ihrer ersten Begegnung vorhin an der Rezeption rettungslos an sie verloren. Doch sie hatte gerade erst ihren über alles geliebten Mann verloren. Ein Grund für ihn, sie alsbald nicht mit Beteuerungen, was für eine ungewöhnliche und schöne Frau sie war, zu überfallen. Damon nahm sich vor, geduldig zu warten, bis ihre Trauer über den Verlust nicht mehr so sehr schmerzte. Behauptete man nicht immer, das dauere mindestens ein Jahr? Ich habe Zeit, dachte er und betrachtete ihr friedlich schlafendes Gesicht noch einmal voller Zärtlichkeit.
Dunedin, 12. Februar 2009
Grace sah die Professorin verwundert an, nachdem diese ihre Geschichte unvermittelt unterbrochen hatte.
»Und Sie wollen an dieser Stelle wirklich aufhören?«
»Das habe ich nicht behauptet, dass ich aufhören will. Ich mache nur eine kleine Pause«, erwiderte Suzan Almond mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen. »Sie mögen meine Geschichte also?«
»Ja, sie ist faszinierend, und ich möchte zumindest erfahren, ob es Selma und Damon gelingt, Auckland zu verlassen, ohne dass dieser Richard dahinterkommt. Und wie Mama Maata reagiert, natürlich.«
»Uns bleiben hoffentlich noch ein paar schöne Abende auf der Terrasse, damit ich Ihnen die Fortsetzung liefern kann«, erwiderte Suzan.
»Sie machen es aber sehr spannend. Wenn Sie hiermit noch einmal Ihre Einladung wiederholen wollen, dass ich bei Ihnen übernachten darf, dann, ja, dann kann ich nur zusagen. Herzlichen Dank. Denn sonst erfahre ich womöglich nie, wie es in Ihrer Geschichte weitergeht«, sagte Grace lachend.
»Und Sie werden dabei gar nicht neugierig auf ihre eigene?«
Grace lachte nicht mehr. Sie blickte Suzan forschend an.
»Glauben Sie etwa, dass ich wegen Ihrer Geschichte gleich loslaufe, um mich auf die Suche nach meinen neuseeländischen Wurzeln zu machen?«
»Ich? Nein! Es ist doch Ihre Sache ganz allein. Ich kann nur aus meiner Erfahrung sprechen. Es kann sehr heilsam sein, wenn man weiß, woher man wirklich kommt. Aber Sie wollen davon partout nichts wissen. Es ist doch wohl Ihr Leben, nicht wahr?«
»Ich bin jedenfalls total gespannt darauf, wie es weitergeht«, versuchte Grace von dem heiklen Thema der eigenen Vergangenheit abzulenken. »Und ich werde Sie heute Abend auf der Terrasse daran erinnern, dass Sie mir die Fortsetzung liefern.«
»Nichts lieber als das«, erwiderte Suzan im Brustton der Überzeugung.
Grace fühlte sich, ob sie es nun wollte oder nicht, in der Gegenwart der Professorin rundherum wohl. Während sie dem Abenteuer von Selma gelauscht hatte, war es fast ein wenig wie früher gewesen, wenn Claudia ihr spannende Gutenachtgeschichten vorgelesen hatte. Davon hatte sie nie genug bekommen können. Woher die Professorin wohl das Talent hat, so packend zu erzählen?, fragte sich Grace gerade, als Suzan ihr anbot, sie endlich zu der Knochensammlung zu führen.
»Ich sehe es Ihnen förmlich an. Es zieht Sie magisch in den Keller«, flötete Suzan.
»Sagen wir mal so: Ich hätte vorher gern noch erfahren, wie es mit Selma weiterging, aber wenn Sie es mir lieber häppchenweise und in Ihrem Rhythmus servieren wollen, dann können wir jetzt auch in den Keller gehen.«
Als Grace hinter Suzan die schmale knarrende Kellertreppe hinabstieg, war sie zunächst enttäuscht. Sie hatte sich die Sammlung der Professorin glanzvoller vorgestellt und nicht, wie es schien, in ein paar alten Kisten
Weitere Kostenlose Bücher