Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
Aber einmal davon abgesehen, dass ich mir wirklich keinen Anwalt leisten kann, möchte ich nur eines: Richard Parker niemals wiedersehen, auf das Geld verzichten und ein neues Leben anfangen. Ein Leben, das mich schnellstens vergessen lässt, was mir Schreckliches widerfahren ist«, brach es aus Selma heraus.
Mister Wayne schenkte ihr einen warmherzigen Blick. »Schon gut, ich werde Sie nicht weiter mit anwaltlichen Ratschlägen überfallen. Aber wollen Sie nicht wenigstens Ihr Geld? Das würde ich Ihnen weniger als Ihr frischgebackener Anwalt zurückholen, sondern eher als gesetzloser Einbrecher.«
Er lächelte gewinnend. Sie lächelte kurz zurück, bevor sie wieder ganz ernst wurde.
»Mister Wayne, es gibt keinen Weg, an mein Geld zu kommen, ohne dass mein Schwager Wind davon bekommt. Der Mann ist mit allen Wassern gewaschen. Nachher werden Sie noch als mein Komplize verhaftet. Nein, bitte, gehen Sie kein Risiko ein. Nicht für das Geld. Es gehörte nicht mir, sondern meinem Mann. Wir wollten davon eine Farm in Nelson kaufen, aber der Traum ist bis in alle Ewigkeiten auf dem Meeresgrund beerdigt. Wenn Sie etwas für mich tun wollen, dann helfen Sie mir, weit fort von hier zu kommen. Sonst findet er mich.«
»Sie wollen doch nicht etwa zurück nach England?«, fragte er erschrocken.
»Nein, ich habe mich so auf dieses grüne Land gefreut. Ich werde eine Stelle annehmen und selbst Geld verdienen.«
»Was können Sie denn?«
»Alles, was im Haushalt anfällt. Meine Mutter war bis zu ihrem Tod Magd auf dem Hof meines Schwiegervaters. Sie hat leider nicht einmal mehr erleben dürfen, wie ich ins Haus der Herrschaften umgezogen bin. Ich habe ihr früher immer gern geholfen und dann später meinem Mann und seinem Vater den Haushalt geführt, auf der Farm gearbeitet, gekocht und ...«
»Ich hätte eine Stelle für Sie.« Seine Augen glänzten.
Selma sah ihn skeptisch an.
Das machte ihn verlegen. Er räusperte sich. »Meine Eltern, die suchen dringend eine Haushaltshilfe. Die alte Mama Maata braucht Unterstützung, aber sie hatte bislang an allen jungen Frauen, die sich bei ihr vorgestellt haben, etwas auszusetzen.«
Selma seufzte.
»Schauen Sie mich doch an. Sie trauen mir zwar zu, dass ich hart arbeiten kann, aber warum sollte Ihre Mama Maata ausgerechnet mich akzeptieren?«
»Das habe ich so im Gefühl. Sie hat seherische Fähigkeiten. Sie wird erkennen, was für eine Kraft in einer zarten Person wie Ihnen steckt«, erwiderte er verschmitzt. »Und weit genug weg von Auckland ist es auch.«
»Wie weit?«
»Fast neunhundert Meilen. Reicht das aus, um Ihrem Schwager zu entkommen und ein neues Leben anzufangen?«
Selma lächelte ihn dankbar an, und doch zögerte sie noch, sein Angebot anzunehmen. Sie kannte ihn doch gar nicht, und was, wenn er im Gegenzug für seine Freundlichkeit erwartete, dass sie besonders nett zu ihm war?
Sie blickte Mister Wayne unerschrocken ins Gesicht, denn an den Augen eines Menschen konnte sie in der Regel erkennen, ob sie ihm trauen durfte oder nicht. Aus Wills offenem Blick hatte stets sein großes Herz gesprochen. Richard jedoch hatte ihr gar nicht gut in die Augen schauen können, und wenn doch, dann hatte er etwas Verschlagenes an sich gehabt. Dieser junge Mann hielt ihrem Blick stand. Er sah sie ernst und prüfend an. Selma gewann den Eindruck, dass er ein aufrechter Mensch ohne Hintergedanken war.
»Und wo genau ist das Haus Ihrer Eltern?«
»In Dunedin auf der Südinsel, einer bezaubernden Stadt mit schottischem Einschlag, die einst ganz nach dem Vorbild Edinburghs erbaut wurde. Mit einem achteckigen Zentrum, einer George Street und einem Moray Place.«
»Sie strahlen ja, wenn Sie von Dunedin sprechen. Stammen Sie aus Edinburgh?«
»Nein, aber ich liebe Dunedin. Ich mag diese Stadt, in der ich zur Schule gegangen bin und studiert habe, obwohl wir inzwischen etwas außerhalb wohnen. Auf einem Hügel in Macandrew Bay auf der Otago Peninsula. Dafür haben wir von unserem Berg einen bezaubernden Blick auf Dunedin, das auf der anderen Seite liegt. Und nein, meine Familie stammt ursprünglich nicht einmal aus Schottland, sondern aus Cornwall.«
Selmas Gesicht hellte sich auf.
»Meine auch. Wir kommen aus New Mill.«
»Wo liegt das denn?«
Selma lachte. »Das ist so winzig klein, dass Sie es sicher nicht kennen. Es liegt bei Penzance. Aber lassen Sie mich raten. Ihre Familie stammt sicher aus St. Yves.«
»Sind Sie Hellseherin?«
»Nein, aber wenn sich einmal feine
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