Das Geheimnis des letzten Moa: Neuseelandsaga (German Edition)
tief durch. Sie wollte ihr laut pochendes Herz beruhigen, aber das half nichts. Es klopfte ihr weiter bis zum Hals.
Vorsichtig schlich sie sich bis zu Suzans Büro. Die Tür knarrte ein wenig, als sie in den dunklen Raum schlüpfte. Der Mond beleuchtete den Schreibtisch der Professorin. Das genügte ihr als Lichtquelle, um das Telefon zu bedienen.
Mit bebenden Fingern wählte sie seine Handynummer.
»Ethan Cameron«, meldete sich ihr Stiefvater geschäftsmäßig wie immer, doch in diesem Augenblick trat Suzan wie ein weißes Gespenst ins Zimmer. Der Mond fiel auf ihr bleiches, verzerrtes Gesicht, es sah zum Fürchten aus.
»Leg auf«, zischte Suzan.
Wie in Trance tat Grace, was Suzan von ihr verlangte.
»Er hat mir gar nicht ausrichten lassen, dass ich mich an Moira Barclay wenden soll, oder?«, fragte sie tonlos, ohne den Blick von diesem zerschundenen Gesicht zu lassen.
»Ruf ihn doch an«, entgegnete Suzan kalt. »Dann kannst du sicher sein, dass du keine befriedigende Antwort bekommst. Oder vertraue mir.«
»Dir vertrauen? Wie sollte ich das? Du hast mich belogen. Ethan hat den Namen Moira Barclay nicht genannt, oder? Komm, gib es wenigstens zu. Ich habe dich durchschaut. Du hast zu viele Fehler gemacht. Ich musste einfach misstrauisch werden.«
»Du bist doch von Natur aus misstrauisch«, erwiderte Suzan und lächelte sogar. Ihr Gesicht hatte nun wieder jeglichen Schrecken verloren.
»Hör auf, mir zu sagen, wie ich bin und was ich tun soll!«, schrie Grace Suzan an. »Sag mir lieber die Wahrheit. Die ganze Wahrheit. Warum hast du mich belogen? Was wird hier gespielt? Wer bist du? Was weißt du über mich? Wenn du mich weiter an der Nase herumführst, reise ich morgen ab!«
»Tu, was du nicht lassen kannst. Ich bin es leid, dich ständig auf den Knien anzuflehen, doch bitte, bitte hierzubleiben. Dann hau endlich ab, bevor du das Geheimnis dieses Landes und das deines Lebens gelüftet hast!«, schnaubte Suzan. »Ich habe es nur gut mit dir gemeint. Das eine darfst du mir glauben, ich habe mich vielleicht nicht immer geschickt angestellt, aber ich wollte verhindern, dass du dermaßen unwissend zurück in deine Welt fährst.«
»Du hast in meinem Interesse gelogen? Na, wenn das dein Verhalten nicht rechtfertigt!«, brüllte Grace außer sich vor Wut.
»Komm, beruhige dich doch erst einmal. Ich werde dir die Wahrheit sagen. Eigentlich wollte ich es dir stückchenweise beibringen und hatte gehofft, dass du selbst darauf stößt. Aber das ging wohl gründlich daneben. Setz dich.«
Unwillig ließ sich Grace in Suzans Schreibtischsessel fallen. »Ich höre! Wobei ich Zweifel daran habe, dass es eine plausible Rechtfertigung für dein Verhalten gibt.«
»Ich habe deine Mutter gekannt. Nur flüchtig, aber ihr Schicksal hat mich sehr beschäftigt.«
»Dann war es gar kein Zufall, dass du mich nach Neuseeland gelockt hast?«
»Nicht direkt. Ich habe deinen Artikel gelesen und war sehr beeindruckt. Dann bin ich über deinen Namen gestolpert, und mir fiel die ganze alte Geschichte wieder ein, aber ich wollte dich ja ohnehin kennenlernen.«
»Na wunderbar. Du hast mich also unter Vorspiegelung falscher Tatsachen eingeladen!«
»Nein. Ich habe wirklich ausschließlich die Chance gesehen, mit dir zusammen endlich das Buch zu schreiben. Du und ich, das waren wie zwei Teile von einem Puzzlespiel. Ich habe es allein nicht geschafft, aber ich wusste, mit dir zusammen ...«
»Red nicht darum herum! Was sollte dieser Blödsinn mit Moira Barclay?«
»Sie war eine Freundin deiner Mutter, und ich denke, wenn jemand etwas über ihren Verbleib weiß, dann sie.«
»Verdammt, verschon mich damit!« Grace hielt sich die Ohren zu. Als sie ihre Hände wieder sinken ließ, fuhr Suzan ungerührt fort.
»Ethan Cameron war unsterblich verliebt in deine Mutter. Und als ...«
»Ich will wissen, warum es dir so wichtig ist, dass ich mich mit meiner Vergangenheit beschäftige, und nicht, wer in meine Mutter verliebt war!«, überschrie Grace die Worte der Professorin. Dabei stimmte es nicht, was sie sagte. Natürlich wollte sie es nun wissen, ja, sie musste es sogar wissen, jetzt, wo man sie in diese Sache wie in ein Schlammloch hineingestoßen hatte.
»Ich finde es einfach wichtig, dass man über seine Herkunft Bescheid weiß, und wollte dir damit helfen. Ich habe damals mitbekommen - also, wie gesagt, ich kannte deine Mutter nicht näher-, dass sie spurlos verschwunden ist. Und dass sie kurz zuvor ein Kind bekommen hat, das
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