Das Geheimnis des Moguls
„Welche Haustiere hattest du?“
Er verzog die Lippen zu einem sarkastischen Grinsen. „Großmutter ist nicht direkt der Typ für Haustiere.“
„Was heißt das?“
„Sie wollte den Dreck nicht. Ein unartiger Junge war schlimm genug. Außerdem …“ Er wechselte in eine hohe Stimmlage. „… kann man von keinem Haushälter erwarten, all die Katzen- oder Hundehaare wegzuputzen.“
„Du Armer!“, meinte Sloane.
Seine haselnussbraunen Augen funkelten, als er einen Schluck Kaffee nahm und feststellte: „Dann verstehst du also, dass ich keine andere Wahl hatte, als eine Schlange mit nach Hause zu bringen.“
„Eine Schlange!“
„Eine harmlose! Eine Kornnatter“, erklärte er, und sie konnte noch die Begeisterung in seiner Stimme hören, die er als Junge empfunden haben musste. „Ich habe ihr ein Terrarium gebaut, mit Wärmelampe und Felsen. Und ich habe ihr einmal die Woche eine Maus gefüttert.“
„Das ist ja furchtbar!“
„Nur für die Maus“, erwiderte er und deutete mit den Fingern ein kleines Lebewesen an. Er schüttelte die Fantasiekreatur vor ihr, und sie musste lachen. Dann ließ er die imaginäre Maus fallen und zog Sloane näher zu sich. Seine Lippen waren erstaunlich weich, und sie ertappte sich dabei, dass sie mehr wollte. Mehr Versicherung, dass alles mit ihnen gut werden würde. Er legte eine Hand auf ihre Wange, und sie lehnte sich daran und schloss die Augen.
„Ethan“, sagte sie und kam zurück auf die Frage, von der sie wusste, dass er sie nicht beantworten konnte.
Er sagte: „Wir haben die besten Voraussetzungen als Hundehalter, oder? Unsere ganze Erfahrung besteht aus einer Gans und einer Schlange.“
„Wir können ja dazulernen“, antwortete sie. Plötzlich schien diese Antwort so viel mehr zu bedeuten. „Wir können immer dazulernen.“
Sein Blick wurde ernst, aber er hatte keine Gelegenheit mehr zu antworten, denn da klingelte sein Handy. Sloane setzte sich wie von der Kornnatter gebissen auf.
Ethan antwortete noch während des ersten Klingelns. „Hartwell“, bellte er. „Ja. Gut. Wir sind gleich da.“ Er beendete den Anruf, nahm die Kaffeetassen und vermied dabei ihren Blick.
„Ethan?“, fragte sie.
„Gehen wir!“
Sie spürte, wie er sich zurückzog. Sie wusste, wenn sie nach seiner Hand griffe, dann wäre sie nicht da. Ihre Finger würden in die Luft greifen.
Dr. Johnson wartete im Untersuchungsraum auf sie. Sie klemmte die Röntgenbilder auf eine Lampe und breitete ein paar Papiere auf dem Tisch aus – medizinische Graphen, die ganz deutlich einen Herzfehler zeigten.
Daisy war außer sich vor Freude, Sloane und Ethan wiederzusehen. Sie fiepte zum Gruß, tanzte auf ihren Hinterpfoten und bettelte darum, auf den Arm genommen zu werden. Sloane nahm sie automatisch und vergrub ihr Gesicht im schwarz-weißen Fell. Sie hörte, wie Ethan alles genau wissen wollte und wie Dr. Johnson ganz militärisch knapp antwortete.
Herzgeräusche Stufe fünf. Rasse anfällig dafür. Medikamente. Kurze Lebenserwartung.
Die Worte schwammen zu Sloane und warfen sie fast um wie Strudel in einem Fluss. Sie schluckte ein Schluchzen hinunter. Das seltsame Schluckaufgeräusch ließ Daisy verwirrt aufblicken. Sloane kratzte der süßen Hündin den Nacken und unterbrach eine Fachfrage, die Ethan gerade stellte. „Hat sie Schmerzen?“
Die Ärztin sah sie mitfühlend an. „Nein. Sie wird nur schneller müde als andere Hunde.“
„Aber ist es nicht grausam, sie bei uns zu behalten? Sie am Leben zu erhalten?“ Sloanes Stimme versagte, aber sie zwang sich dazu, der Ärztin in die Augen zu sehen.
„Nein, überhaupt nicht. Sie sollten einige schöne Jahre miteinander haben.“
Mehr musste Sloane nicht hören. Sie ließ Ethan seine Fragen stellen – über Herzkammern, Bluttests, biochemische Profile. Sie hörte die Antworten, verstand sie, aber kümmerte sich nicht darum. Erst einmal nicht. Nicht, wenn sie wusste, dass sie eine Zeit lang Daisys Gesellschaft genießen konnte.
Ethan nickte, als die Ärztin ihre Ausführungen beendete. Dann verlangte er eine Kopie sämtlicher Tests inklusive der Röntgenbilder. Er würde einen seiner eigenen Tierärzte von Hartwell Genetics einen Blick darauf werfen lassen.
Er schüttelte der Ärztin die Hand und dankte ihr für ihre Bemühungen. Sloane hob den Hund hoch und drückte ihn gegen ihre Brust. Von da an handelte Ethan nur noch mechanisch.
Im Geiste schrieb er schon eine E-Mail an Zach. Wenn Ethan alleine wäre, würde er
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