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Das Geheimnis des Nostradamus

Das Geheimnis des Nostradamus

Titel: Das Geheimnis des Nostradamus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Flacke
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spitzbübischem Lächeln und schwenkte einladend seine Kappe. »Man weiß nie, was sich hier für ein Gesindel herumtreibt.«
    Marie schluckte. Ihr Hals war wie ausgetrocknet. Sein Blick verunsicherte sie, als hätte er eine unbekannte Sehnsucht in ihr geweckt. Verlegen wischte sie sich über die Sommersprossennase.
    »Na, was ist?« Seine Worte klangen sanft. Marie meinte eine warme Glut zu spüren, die aus ihnen herausstrahlte. »Wo wohnst du?«
    »Ich wohne in einer Gasse, die oben beim Brunnen abzweigt«, antwortete sie hastig. Sie räusperte sich und versuchte ein leises Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken.
    »Soll ich dich begleiten?«, fragte er vorsichtig.
    Sie nickte scheu. Manuel zog aus der Tasche seiner abgeschabten Weste eine weiß schimmernde Muschel und drückte sie Marie in die Hand. »Die habe ich am Atlantik gefunden, in Bordeaux. Eines Tages werde ich dorthin zurückkehren! Mein Vater hat dort ein kleines Weingut, das will ich übernehmen.«
    Marie umschloss die Muschel mit ihren Fingern. Sie spürte, wie sich die Kanten in ihre verschwitzten Finger drückten. Ob dies ein Zeichen des Himmels war? Ein kleines Geschenk in Erwartung dessen, was noch kommen sollte?
    Schweigend gingen sie die Rue St. Georges entlang, vorbei an zerlumpten Flüchtlingen, die verloren an den Hauswänden hockten und vor sich hinstarrten. Straßenköter schnupperten an frischem Kot. Erste Pechfackeln loderten auf. Sie warfen flackerndes Licht auf ein paar Burschen, die auf einem Holzbrett trictrac spielten und mit den Fingernägeln Läuse knackten. Zwei Weiber kamen mit frisch gebackenem Brot und Kohlsuppe aus dem Nachbarhaus, um ein paar Hungernde zu versorgen. Wieder ratterte in der Ferne der Leichenkarren vorbei. Der Geruch von Schweiß, sauren Oliven und Erbrochenem lag in der Luft. Marie spürte, wie Übelkeit in ihr hochstieg.
    Am Ende der Rue St. Georges hielt einer eine flammende Fackel hoch über den Brunnenrand. Das grelle Licht tanzte wie entfesselt durch das Geäst des Feigenbaumes, fuhr die Zweige entlang und tastete sich hoch bis in den Gipfel. Der Baum war zerrupft, die letzten Früchte waren heruntergerissen. Abgebrochene Zweige lagen zertreten am Boden. Am steinernen Brunnen drängten sich zerlumpte Gestalten um den Holztrog. Verschmutzte Kinder schöpften mit hohlen Händen Wasser, das sie gierig aufschlürften. Manuel blickte kurz zu ihnen herüber, während er sich nachdenklich über das Kinn rieb. Sein Blick war jetzt in die Ferne gerichtet, als hätten ihn Nachtmahre in einen düsteren Albtraum entführt.
    »Na, was ist mit deinem Magendrücken?«, fragte Marie endlich mit leiser Stimme, während sie die Muschel immer noch fest in der Hand hielt. »Hat der Doktor helfen können?«
    »Es ist schon viel besser.« Manuel atmete tief durch. Er leckte sich kurz über die blassen Lippen wie ein Hund, der seine Wunden zu heilen sucht.
    »Nostradamus scheint wirklich ein außergewöhnliches Wissen zu haben«, sagte er und schaute wieder zum Brunnen hinüber, wo jetzt im Lichtschein der Fackel der frisch gefüllte Wassertrog von Mund zu Mund gereicht wurde. »Und einen untrüglichen Instinkt. Er sah mich durchdringend an und wusste gleich, welche Arznei mir helfen wird. Du arbeitest gern bei dem Doktor, nicht wahr?«
    Marie nickte. Sie zwirbelte ihre lockigen Kupferhaare zu Strähnen, die ihr widerspenstig über die Wangen fielen. »Und ob. Und außerdem lerne ich eine ganze Menge.«
    »So, du lernst viel?« Manuel strich ihr wie durch Zufall eine der widerspenstigen Locken aus dem Gesicht.
    »Ja, tausenderlei! Zum Beispiel, dass Kranke frische Knoblauchzehen lutschen sollen, damit sie von Krankheiten rein bleiben. Und Konfitüren kann ich auch kochen. Nostradamus entwickelt jeden Tag verrückteste Leckereien, wie die Paprikakonfitüre, seine Spezialität. Ihr werden sogar…« Marie stockte und errötete.
    »Was werden ihr?«, fragte Manuel amüsiert.
    Sie senkte verlegen den Blick. Ein paar der herbstfarbenen Locken fielen ihr zurück ins Gesicht. »… ihr werden sogar aphrodisische Eigenschaften nachgesagt.«
    In diesem Moment ratterte eine schwarze Kalesche heran, die von einer jungen Stute über das Straßenpflaster gezogen wurde. Marie drückte sich an die Häuserwand, erleichtert über die unerwartete Unterbrechung ihres Gesprächs. Sie pustete eine der Haarlocken aus ihrem Gesicht und lächelte verschmitzt.
    »Erzählt er auch von den Ereignissen im Land?«, fragte Manuel weiter, als das

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